NSU in Hamburg: Neue Debatte über Untersuchungsausschuss

Stand: 11.04.2023 20:16 Uhr

Im Juni 2001 wurde Süleyman Tasköprü in Hamburg ermordet - er war eines der Opfer des sogenannten NSU (Nationalsozialistischer Untergrund). Angehörige und Linksfraktion fordern seit Jahren einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA). Auch die Grünen sind dafür.

Auch mehr als 20 Jahre nach dem Mord an Tasköprü gibt es noch einige offene Fragen. Beispielsweise, ob es in Hamburg Mitwisserinnen und Mitwisser oder Komplizinnen und Komplizen gab? In allen anderen Bundesländern, in denen es NSU-Morde gab, wurden Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Nur in Hamburg nicht. Die SPD-Fraktion hält das für sinnlos. "Bei all diesen Untersuchungsausschüssen ist nichts herausgekommen, was die Fragen beantwortet hat. Und wir sind uns sicher: Auch ein Hamburger Untersuchungsausschuss kann das nicht leisten", sagt der innenpolitische Sprecher der SPD, Sören Schumacher.

Celik: Beziehungen zwischen NSU und Hamburger Rechten

Der Linken-Abgeordnete Deniz Celik ist sich da nicht so sicher. Das könne man erst hinterher wissen, sagt er. Celik hat rund 100 offene Fragen zum Hamburger Fall aufgelistet. Aufgrund der Ermittlungen in anderen Bundesländern hätte man in Hamburg längst handeln müssen. "Wir wissen jetzt auch aus anderen Untersuchungsausschüssen, dass es zumindest Beziehungen gab zwischen dem Umfeld des NSU-Trios und führenden Hamburger Neonazis", so Celik.

Vorwurf: Man hätte in die rechte Szene schauen müssen

Beziehungen gab es demnach etwa zum verstorbenen rechten Anwalt Jürgen Rieger. Und auch zu den Hamburger Neonazis Thomas Wulff und Christian Worch seien Kontakte zumindest denkbar. So sei Worch gut vernetzt gewesen mit dem Thüringer Heimatschutz und häufig dort vor Ort gewesen. Man wisse auch, dass Beate Zschäpe an Tagungen von Rieger teilgenommen habe, so Celik. "Das wären Ansätze gewesen, wo man eigentlich genauer in die rechte Szene hätte schauen müssen."

Jasberg: Offene Wunden bei vielen in Hamburg

Am Donnerstag will die Linksfraktion in der Bürgerschaft über einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss abstimmen lassen. Das ruft die Grünen auf den Plan, die einen solchen Ausschuss auch bereits seit Jahren wollen. "Es geht ja insbesondere um die Aufklärung, weil wir wissen, dass offene Fragen nicht nur bei den Betroffenen, sondern auch bei vielen Hamburgerinnen und Hamburgern noch immer offene Wunden hinterlassen haben", sagt Jennifer Jasberg, die Fraktionsvorsitzende der Grünen.

SPD will keinen Untersuchungsausschuss

In Dutzenden Sitzungen der normalen Ausschüsse sei alles bereits lückenlos aufgearbeitet worden, sagt die SPD-Fraktion. Außerdem stehe ein NSU-PUA nicht im Koalitionsvertrag. Die vehemente Forderung der Grünen sorgt somit für Befremden bei der SPD. "Ein PUA ist ein parteipolitisches Instrument", sagt Schumacher. "Wollen wir uns jetzt, 20 Jahre nach den Taten, in einem langen Untersuchungsausschuss parteipolitisch zoffen?"

Jasberg hingegen sagt, derzeit würden vertrauensvolle Gespräche geführt - sie denke schon, dass es erfreulich wäre, wenn es zu einem Ausschuss käme. Die Diskussion um die Aufarbeitung des Hamburger NSU-Mordes scheint noch lange nicht beendet.

Weitere Informationen
Gedenkstern Süleyman Taşköprü © NDR Foto: Sebastian Friedrich

NSU in Hamburg: Linke will mehr Akten sichern

Die Linke möchte erreichen, dass Akten zum Mord an Süleyman Tasköprü nicht vernichtet werden - und bringt einen Antrag in die Bürgerschaft ein. (31.01.2023) mehr

Die Tatwaffe der NSU-Mörder, eine Pistole, Modell Ceska 83, Kaliber 7,65 Millimeter "Browning", mit Schalldämpfer. © dpa / picture-alliance Foto: Franziska Kraufmann

Hamburg und Rostock Schauplätze von NSU-Morden

Die Neonazi-Gruppe NSU soll mindestens zehn Menschen getötet haben. Auch Hamburg und Rostock waren Schauplätze der Anschläge auf Zuwanderer. Die Polizei ermittelte in die falsche Richtung. (07.09.2020) mehr

Vor dem gerahmten Bild des NSU-Opfers Süleyman Tasköprü liegen Rosen © picture alliance / dpa Foto: Axel Heimken

2001: Der NSU ermordet Süleyman Taşköprü in Hamburg

Der Gemüsehändler wurde am 27. Juni 2001 von Rechtsextremisten erschossen. Ein "Zufallsopfer"? Oder steckte mehr dahinter? (07.09. mehr

Angehörige des rechtsextremen Thüringer Heimatschutzes bei einer Demonstration in Jena 2001. © dpa / picture-alliance Foto: Gordon Schmidt

Neue Hinweise auf NSU-Kontakte nach Hamburg

Einzelne Mitglieder der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) hatten Kontakte zur Hamburger Anwältin Gisa Pahl, die seit Jahren Rechtsextremisten juristisch vertritt. (22.02.2020) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 11.04.2023 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

SPD

Grüne

Die Linke

Mehr Nachrichten aus Hamburg

Autowracks stehen im Stadtteil Billstedt an einer Unfallstelle. © dpa-Bildfunk Foto: Daniel Bockwoldt

Deutlicher Anstieg: 37 Verkehrstote in diesem Jahr in Hamburg

In Hamburg sind in diesem Jahr 37 Menschen im Straßenverkehr gestorben. Das sind so viele wie seit 2008 nicht mehr. Im vergangenen Jahr waren es neun weniger. mehr