Messerattacke in Zug: Hitzige Debatte in der Bürgerschaft
Eine Woche nach der tödlichen Messerattacke in einer Regionalbahn von Kiel nach Hamburg hat die Bürgerschaft darüber debattiert. Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) wehrte sich gegen Kritik am Umgang ihrer Behörde mit dem mutmaßlichen Täter. Dieser war kurz zuvor in Hamburg aus der U-Haft freigekommen.
Dem 33-Jährigen wird vorgeworfen, in dem Regionalzug mit einem Messer auf andere Reisende eingestochen zu haben. Eine 17-Jährige und ein 19-Jähriger wurden getötet, fünf weitere Fahrgäste verletzt. In der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft verwies Gallina am Mittwoch darauf, dass die Freilassung des 33-Jährigen aus der Untersuchungshaft gerichtlich entschieden worden war. Auch sei seine Entlassung nicht vorzeitig, sondern unter Ausschöpfung des Rechtsrahmens erfolgt. "Und es gab auch keine Möglichkeit, Auflagen zu erteilen", sagte sie.
Der Opposition sagte sie zu, "nachvollziehbare" Fragen zur Entlassung von Untersuchungshäftlingen am Donnerstag im Justizausschuss der Bürgerschaft zu beantworten. "Ich habe auch meine Vorstellungen, wie wir besser werden können", sagte sie und kündigte eine Evaluierung des Hamburger Resozialisierungsgesetzes an.
Thering: Justizsenatorin ihrer Aufgabe nicht gewachsen
CDU und AfD warfen der Justizbehörde vor, keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen zu haben, um die Tat des mehrfach einschlägig vorbestraften Palästinensers zu verhindern. "Hätte es keine andere Möglichkeit im Umgang mit Ibrahim A. gegeben und hätte er nicht besser auf die Entlassung vorbereitet werden können?", fragte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Bei ihm wachse der Eindruck, "dass die Justizsenatorin ihrer Aufgabe in diesem Amt nicht gewachsen ist".
AfD kritisiert "Kuscheljustiz"
AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann warf den Grünen generell vor, "eine Politik der unkontrollierten Zuwanderung, eine Politik der Nichtabschiebung und eine Politik der Kuscheljustiz" zu betreiben. "Und unsere Bürger müssen es erdulden, dass mehrfach Vorbestrafte - häufig Migranten - ihren Blutrausch auf der Straße ausleben."
Linke: Warum wurde Gefahr falsch eingeschätzt?
Anstatt rechte Hetze zu betreiben, müsse jetzt dringend geklärt werden, weshalb die von Ibrahim A. ausgehende Gefahr falsch eingeschätzt worden ist, sagte die Vorsitzende der Fraktion der Linken, Cansu Özdemir. Dabei sei Gallina gefordert. Zugleich bemängelte sie eine nur unzureichende psychologische Versorgung im Justizvollzug.
FDP: Gallina stiehlt sich aus Verantwortung
Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein warf Gallina vor, sich aus der politischen Verantwortung zu stehlen. Dass im Fall Ibrahim A. keine präventiven Maßnahmen ergriffen worden seien, "nur, weil er in Untersuchungshaft saß", sei nicht glaubhaft. "Wenn eine Person aus der Untersuchungshaft entlassen wird und schwerste Straftaten begeht, kann man doch nicht sagen: systemisch war das alles in Ordnung", sagte sie.
Grüne: Prinzipien des Rechtsstaats gelten auch für Häftlinge
Die Prinzipien des Rechtsstaats würden für alle gelten, gerade auch für Menschen in Haft, sagte die Justizexperten der Grünen, Lena Zagst. "Wir dürfen sie auch in schwierigen Zeiten nicht über Bord werfen", mahnte sie.
Justizausschuss befasst sich am Donnerstag mit dem Thema
Vor der Debatte hatte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) der Opfer des Messerangriffs gedacht und den Angehörigen ihr Mitgefühl ausgesprochen. An die Abgeordneten appellierte sie, "Schuldzuweisungen und Verteidigungsreden" aus Respekt vor den Hinterbliebenen zu unterlassen. Viele Fragen müssten geklärt und gegebenenfalls Verantwortung übernommen werden. "Der richtige Ort dafür ist der Justizausschuss", sagte sie. Der Ausschuss kommt am Donnerstag zusammen.
Touré: Infos aus Hamburg nicht in Kiel angekommen
Derweil hat Schleswig-Holsteins Integrationsministerin Aminata Touré (Grüne) Probleme in der Kommunikation der Behörden zum mutmaßlichen Täter von Brokstedt eingeräumt. Bestimmte Informationen aus Hamburg zu dem Mann seien nicht in Schleswig-Holstein angekommen, sagte Touré am Mittwoch im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags in Kiel. Beide Länder müssten sich die Frage stellen, ob sie nicht an einigen Stellen noch hätten nachhaken müssen.