Kommentar zum HSV: Liebe allein steigt nicht auf
Was für Tage für den HSV und seine vielen Fans: Erst wurde der direkte Aufstieg auf dramatische Art und Weise verpasst. Dann der nächste Tiefschlag mit der 0:3-Niederlage im Relegationshinspiel in Stuttgart - der Aufstieg ist damit fast unmöglich. Und jetzt? Ein Kommentar von Britta Kehrhahn.
Wie viel Fußball-Drama kann ein Mensch ertragen? Ich denke, dass bei vielen Fans des HSV die Skala nach oben immer noch weit offen ist. In Stuttgart zeigten sie ihr Banner mit den Worten "Egal, was auch passiert". Der Leistungsgedanke ist offenbar einer hemmungslosen Liebe zum Team gewichen. Das gemeinsame Ertragen der vielen Dramen rund um den HSV nach dem Motto "wir gegen alle Widerstände dieser Welt" ist zum Markenzeichen in Hamburg geworden, zugleich eine willkommene Ablenkung vom eher düsteren sportlichen Alltag.
Walter sollte sportliche Antworten haben
Das weiß auch HSV-Trainer Tim Walter. Auf die Frage, was ihm denn Hoffnung mache für das Relegationsrückspiel am Montag, meinte er: "Der Volkspark". Und er sagte auch: "Liebe ist stärker als Ergebnisse." Das mag für viele schön und menschlich klingen. Für mich klingt es unprofessionell. Ein Trainer, der im Ergebnissport Fußball arbeitet und für Leistung bezahlt wird, sollte sportliche Antworten und Argumente haben.
HSV hätte vorher aufsteigen müssen
Wie soll ich mir die Kabinenansprache am Montag vorstellen? "Geht raus und spielt, Hauptsache, die Fans lieben euch?" Wohl kaum. Liebe allein steigt nicht auf. Und wer jetzt von mir auch nur einen Hauch von Liebesrausch in Sachen HSV erwartet, geht leer aus. Fünf Jahre mit verzweifeltem Aufstiegskampf haben für einen mittelschweren mentalen Erschöpfungszustand gesorgt. Das Spiel in Stuttgart hat sein Übriges dazu getan, zu krass war der Klassenunterschied. Sie hätten vorher direkt aufsteigen müssen und können, haben es aber mit Spielen wie gegen Magdeburg, Kaiserslautern und Paderborn vergeigt.
Was fehlt: Variables Denken und Handeln auf dem Platz
Was nun? Es ist nicht alles schlecht, was Tim Walter macht. Seine Mannschaft schwört auf ihn. Der Zusammenhalt ist da, Walter stellt sich vor sie, geht voran, schmettert alles ab. Was mir aber fehlt ist Selbstkritik, variables Denken und Handeln auf dem Platz. Kann Tim Walter das? Ist das überhaupt möglich mit der Mannschaft, die er hat? Zwei Fragen, zweimal Zweifel. Und zwar unabhängig vom Ergebnis am Montag.
Jetzt aber gibt es noch dieses eine Spiel. Ich glaube nicht an ein Wunder, aber ausschließen kann ich es auch nicht. Eine schnelle Führung des HSV, 3:0 nach Verlängerung, dann Elfmeterschießen - es wäre der ultimative Dramakitzel, es wäre… nur der HSV.