HSV: Es bleibt nur noch ein kleines Fünkchen Hoffnung
Für den Hamburger SV ist nach dem 0:3 im Relegations-Hinspiel beim VfB Stuttgart die Hoffnung auf die Rückkehr in die Fußball-Bundesliga fast dahin. HSV-Trainer Tim Walter und sein Team beschwören aber ihre Chance im Rückspiel am Montagabend.
Walter wusste, was jetzt wichtig war. Es ging darum, noch irgendetwas zu retten nach dieser 0:3-Abreibung im Relegations-Hinspiel beim Bundesligisten VfB Stuttgart, das zarte Pflänzchen Hoffnung umgehend zu hegen und pflegen, damit es nicht doch noch an Ort und Stelle verdorrte. Und so schritt der kräftige Mann mit dem graumelierten Vollbart los, tröstete beim Gang über den Rasen noch einige seiner Spieler, bevor er seine Jungs zusammenrief.
Sie bildeten zügig einen großen Kreis, in dessen Mitte Walter sich schnell hin- und herbewegte und drehte, um seinen Spielern und allen Teammitgliedern möglichst oft in die Augen zu schauen.
HSV-Trainer Walter schnell in der Rolle des Motivators
Seine Verärgerung über den Spielverlauf konnte er in diesen Minuten praktischerweise auch noch kurz entladen. Sie traf einen TV-Kameramann, der es gewagt hatte, diesem Kreis etwas zu nahe zu kommen. Mit weit aufgerissenen Augen und einem in die Ferne weisenden Zeigefinger machte der HSV-Trainer ihm deutlich, dass dies jetzt gerade nicht ganz so passen würde.
Nach dieser Störung war Walter flugs wieder in der Rolle des Motivators, der seine Spieler darauf einschwor, dass es noch ein Rückspiel am Montagabend (20.45 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) und damit auch eine Chance geben würde, es besser zu machen als in den 90 Minuten beim Drittletzten der Bundesliga.
"Meine Hoffnung ist der Volkspark." HSV-Trainer Tim Walter
Diese Möglichkeit beschwor Walter auch im Interview mit dem NDR: "Wir haben schon so viele Situationen erlebt, in denen wir immer wieder einen vor den Latz geknallt bekommen haben. Und wir geben auch jetzt nicht auf. Wir kommen wieder und werden auch am Montag mit unseren Zuschauern im Rücken versuchen, das Unmögliche möglich zu machen."
Er spitzte dann den Grund für seine Hoffnung noch zu. Auf die Frage, was konkret ihm Mut mache für das zweite Duell mit dem deutlich überlegenen Gegner, antwortete er: "Ganz ehrlich, meine Hoffnung ist der Volkspark."
Hamburg braucht das "Wunder von der Elbe"
Die HSV-Fans, so offenbar sein Kalkül, sollen am Montagabend das Team tragen, es auf eine ganz andere Flughöhe drücken und dann - wohl auch mit einer guten Prise Fortune - an einem perfekten Juni-Abend das "Wunder von der Elbe" schaffen. Klingt kühn. Und - so ehrlich sollte man sein - gemessen an der Darbietung des HSV am Donnerstagabend nicht wirklich realistisch.
Eigentlich liegen bei der Aneinanderreihung der Erst- und Zweitligatabelle nur vier Ränge zwischen den beiden Teams. Doch im Hinspiel sah es über weite Strecken so aus, als spielte ein Europapokal-Aspirant gegen einen Abstiegskandidaten der Zweiten Liga. Seit der Wiedereinführung der Relegation vor 14 Jahren war kein Zweitligist in einem Hinspiel so deutlich unterlegen. Überhaupt spricht die Statistik gegen den unterklassigen Club. Erst dreimal setzte sich dieser durch.
Sandhausen-Effekt beim HSV spürbar
Vermutlich hat im HSV-Team das heftige Erlebnis vom vergangenen Sonntag, als in Sandhausen schon der Aufstieg gefeiert worden war, bei allen Verneinungen doch einen kräftigen psychologischen Einfluss auf die Spieler gehabt. Heidenheim ging am letzten Zweitliga-Spieltag hoch, Hamburg musste in die Saisonverlängerung. Andererseits: Auch ohne den Sandhausen-Effekt hätte sich der qualitative Unterschied der Teams im Ergebnis wohl niedergeschlagen.
Mit mehr Zielstrebigkeit und Konsequenz im Torabschluss hätte Stuttgart sogar schon im Hinspiel leicht den Deckel draufmachen können. Selbst ein Sieg mit fünf Toren Unterschied war möglich. Erschreckend aus Sicht der Hamburger waren vor allem die Unterschiede in der Geschwindigkeit. Damit war nicht nur der Antritt vor dem nächsten Zweikampf gemeint. Stuttgart war gedanklich viel schneller, und die Kombinationen in den eigenen Reihen wie auch die Spielverlagerung gingen weitaus fixer als bei den Norddeutschen.
HSV-Profis zum Teil überfordert
Und in deren Reihen mussten sehr viele Spieler erkennen, dass sie sich gewaltig strecken müssen, um im Rückspiel mit Erstligaprofis mithalten zu können. Etwa Rechtsverteidiger Moritz Heyer, der überfordert wirkte und mit zunehmender Spielzeit die Furcht ausstrahlte, Fehler zu begehen.
Oder Bakery Jatta: In der Zweiten Liga mag es reichen, Tempo aufzunehmen, dem Ball hinterherzujagen und letztlich den Gegenspieler abzuhängen. Gegen Stuttgart wurde er mehrmals "abgekocht", wie es im Spielerjargon heißt. Und Spielgestalter Sonny Kittel war erst nach etwa einer Stunde Spielzeit endlich präsenter.
Letztlich durften sich die Hamburger bei ihrem Keeper Daniel Heuer Fernandes dafür bedanken, dass noch eine minimale Chance für das Rückspiel bleibt. Diese wurde dann auch gleich von den Spielern betont, wie etwa von Kapitän Sebastian Schonlau: "Wir werden nicht aufhören, bis die letzte Minute dieser Saison gespielt ist. Wir haben noch 90 Minuten vor uns."
"Liebe ist stärker als Ergebnisse." Tim Walter
Es klingt nach Durchhalteparolen, ganz nach dem Motto: Noch ist nicht Schluss, und mit den eigenen Fans im Rücken - wer weiß? Die HSV-Anhänger taten in Stuttgart schon einiges dafür, Druck vom Team zu nehmen. "Egal, was auch passiert", stand auf einem großen Banner vor der Gästekurve.
Walter war vom Support der Fans so angetan, dass er in der Beurteilung dessen gar einen Ausflug in die Philosophie wagte. "Wir sind eine große Einheit geworden. Liebe ist stärker als Ergebnisse", sagte der 47-Jährige. Es deutet vieles darauf hin, als sollten Walter und sein Team diese Liebe der Anhänger in der kommenden Saison im Rahmen von Zweitligaspielen zu spüren bekommen.