Kommentar: Behörde macht es sich mit Demo-Verbot zu leicht
Der Terror der Hamas und die Reaktion Israels haben auch in dieser Woche viele Menschen aufgewühlt. In Hamburg sind noch bis einschließlich Sonntag Pro-Palästina-Demonstrationen nicht erlaubt. Dazu ein Kommentar von Oliver Wutke.
Mit dem pauschalen Verbot von pro-palästinensischen Kundgebungen hat es sich Hamburgs Versammlungsbehörde leicht gemacht. Ich finde: Zu leicht. Denn es muss in Hamburg möglich bleiben, für Menschenrechte im Gaza-Streifen oder im Westjordanland auf die Straße zu gehen. Das kann man anstößig, ärgerlich, oder sogar verlogen finden - gerade, wenn die Teilnehmer einer solchen Demonstration zum menschenverachtenden Hamas-Terror schweigen. Aber beim Demonstrationsrecht geht es nicht um Sympathie.
Behörde drückt sich um Prüfung im Einzelfall
Meinungs- und Versammlungsfreiheit gehören zu unseren Grundrechten. Jeder und jede darf hier demonstrieren, auch für scheinbar falsche oder komische Ideen. Er muss sich aber an die Regeln halten. Und das stellt die Polizei und ihre Versammlungsbehörde vor eine große Herausforderung: Sie muss nämlich eine Prognose darüber abgeben, ob bei einer Versammlung Gewalt oder Rechtsverstöße zu erwarten sind. Das kann man kaum pauschal mit Ja oder Nein beantworten, schon gar nicht über viele Tage hinweg. Aber um eine genaue Prüfung im Einzelfall hat sich die Behörde gedrückt.
Hass und Hetze nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt
Dabei gibt es sogar in der Hamburger Polizei Stimmen, die es für klüger hielten, die Demonstrationen erst einmal laufen zu lassen. Dann kennt man Ort und Zeit, kann Einsätze besser planen und gegen Rechtsverstöße gezielter vorgehen. Denn auch das muss klar gesagt werden: Gewalt, Hass und Hetze, Beleidigung, Verleumdung oder schiere Menschenverachtung sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Es sind Straftaten, die verfolgt werden müssen. Und es gehört auch nicht zur Versammlungsfreiheit, auf unseren Straßen die Ermordung von Menschen zu feiern.
Gerade in Deutschland gibt es Grenzen des Sagbaren
Ich finde, die entscheidenden Worte dazu hat in dieser Woche der Bundespräsident gesagt: Jeder in Deutschland muss die Geschichte von Auschwitz kennen und die Verantwortung, die sich daraus ableitet. Das gilt auch für Menschen, deren Eltern, Groß- oder Urgroßeltern damals noch nicht in Deutschland gelebt haben und denen andere Krisen und Konflikte der Welt viel näher sind als die deutsche Geschichte. Aber die Auseinandersetzung mit dem Holocaust gehört zur DNA dieses Landes. Wer hier lebt, muss das respektieren und anerkennen, dass es gerade in Deutschland eben auch Grenzen des Sagbaren gibt.
Mein frommer Wunsch wäre es, dass wir diese Grenzen nicht mit Strafen und Verboten durchsetzen müssen, sondern dass sie einfach mal eingehalten werden. Aus Einsicht und Respekt. Und gerade von denen, deren Meinung ich vielleicht nicht teile, aber deren Meinungsfreiheit ich verteidige.