Kommentar: Nahostkonflikt - Wir haben als Gesellschaft versagt

Stand: 14.10.2023 08:40 Uhr

Die Bilder aus Israel bewegen die Menschen. Und die Bilder von denen, die die Gewalt bejubeln, verstören. Der Terror und der Krieg in Israel und Palästina haben auch Auswirkungen auf unser Leben in Hamburg. Es gibt Gewaltdrohungen gegen Juden auch bei uns in der Stadt. Politik und Gesellschaft müssen jetzt handeln und durchgreifen, meint Daniel Kaiser in seinem Kommentar.

von Daniel Kaiser

Wir haben als Gesellschaft versagt. Jüdische Menschen sind in dieser Stadt nicht sicher. Wir nehmen es einfach so hin, dass sie fast 80 Jahre nach dem Holocaust, nur unter Polizeischutz beten können. Als sei das normal. Als sei es normal, dass jüdische Schulkinder nur mit bewaffneten Personenschützerinnen und -schützern Ausflüge machen können. Wir haben uns daran gewöhnt.

Zu wenig beim Judenhass hingeschaut

Wir haben ein Klima geschaffen, in dem Leute es für völlig selbstverständlich halten, in eine Fernsehkamera zu lachen und sich über den Hamas-Terror zu freuen, als sei Judenhass eine normale Meinungsäußerung. Wir haben zu wenig hingeguckt, waren zu lax, an der falschen Stelle zu naiv.

Es geht um friedliches Zusammenleben in Hamburg

Es gibt diesen Judenhass von rechts, von links und auch in der muslimischen Community. Die islamischen Gemeinde in Hamburg muss das zur Kenntnis nehmen und den Antisemitismus in ihren Reihen bekämpfen. Jetzt. In den Freitagsgebeten, in den Familien! Wir können hier in Hamburg den Nahostkonflikt nicht lösen. Aber es geht um das friedliche Zusammenleben in unserer Stadt.

HFBK-Gastprofessoren freuen sich über Hamas-Terror

Auch in der Kulturszene gibt es offene Flanken beim Thema Antisemitismus. An der Hochschule für bildende Künste waren zwei Macher der Documenta, die Juden als Schweine gezeigt haben, als Gastprofessoren tätig. Als sei es völlig normal, Menschen jüdischen Glaubens als Schweine zu zeigen. Trotz aller Bitten und Appelle der jüdischen Community hat Hochschulpräsident Martin Köttering das durchgezogen. Diese Ruangrupa-Leute haben gerade im Internet Freude über die Hamas-Massaker gezeigt. Sie sprechen wieder von einem Missverständnis, man sei "mausgerutscht". Wer das glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann. Hochschulpräsident Köttering, der diesen Antisemiten den roten Teppich ausgerollt hat, hat dieser Stadt mit seinem Vorgehen Schaden zugefügt. Er sollte seinen Hut nehmen.

Es muss ab jetzt klar sein: Mit Antisemitinnen und Antisemiten spricht man nicht. Man ächtet sie.

Judenhass konsequent verfolgen

Ganz konkret: Gotteshäuser, in denen Judenhass gepredigt wird, müssen dicht gemacht werden. Demos, auf denen judenfeindliche Parolen skandiert werden, müssen sofort aufgelöst und die Rädelsführer bestraft werden. Wenn Täterinnen und Täter, bekennende Judenhasser, in diesem Land zu Gast sind, müssen sie das Land verlassen.

Die Kulturszene muss endlich gänzlich den Flirt mit der Israel dämonisierenden, antisemitischen Boykott-Bewegung, die Israel einseitig die Schuld am Konflikt gibt und isolieren will, beenden. Es gibt einen Beschluss des Bundestages. An den kann man sich ja einfach mal halten. Judenfeindliche Übergriffe und Sprüche in der Schule müssen geahndet werden - die Täterinnen und Täter müssen raus aus dem Klassenzimmer. Der Judenhass muss raus aus der Schule. Die Schulen müssen sichere Orte für Juden werden.

"Nie wieder" ist jetzt

Es ist so, dass junge Leute sich heute oft nicht trauen, sich in der Schule als Jüdin oder Jude zu erkennen zu geben. Wir müssen als Gesellschaft Haltung zeigen. Hamburg muss eine sichere Stadt für jüdische Menschen werden. Wenn uns das jetzt nicht gelingt, wenn wir das jetzt wieder nicht ernst nehmen und handeln, dann können wir uns die "Nie wieder"-Sonntagsreden zum nächsten 9. November und am Holocaust-Gedenktag wirklich sparen. "Nie wieder" ist jetzt.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Der Hamburg-Kommentar | 14.10.2023 | 08:40 Uhr

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