Islamisches Zentrum Hamburg verboten - Blaue Moschee beschlagnahmt

Stand: 24.07.2024 20:34 Uhr

Das Bundesinnenministerium hat ein Vereinsverbot gegen das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) ausgesprochen. Am Mittwoch ging die Polizei in der Blauen Moschee an der Alster und in sieben weiteren Bundesländern gegen den Verein vor.

Es war ein seit Langem erwarteter Schlag der Sicherheitsbehörden. Hunderte Beamtinnen und Beamte rückten am Mittwochmorgen vor der Blauen Moschee an der Hamburger Alster und vor den Räumlichkeiten von bundesweit fünf Vereinen an, die dem Islamischen Zentrum Hamburg nahestehen. Es gab Durchsuchungen in insgesamt 53 Objekten wie Moscheen, Vereinsräumen und Wohnungen in Hamburg, Bremen, Berlin, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Material und Vermögen wurden beschlagnahmt.

Als Protest gegen das Verbot des IZH hat das iranische Außenministerium den deutschen Botschafter in Teheran einbestellt. Aus dem Islamischen Zentrum gab es bislang keine Reaktion auf das Verbot. Der Verein war bislang für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Weitere Informationen
Die Blaue Moschee an der Hamburger Außenalster. © picture alliance/dpa | Christian Charisius

IZH verboten - Durchsuchungen in ganz Deutschland

Die Sorge ist groß, dass Teheran als Rache deutsche Organisationen ins Visier nehmen könnte. NDR und WDR berichten. Mehr bei tagesschau.de. extern

Vermummte Einsatzkräfte stürmen die Moschee

Vor der Blauen Moschee an der Hamburger Außenalster rückte die Polizei um Punkt 6 Uhr morgens mit einem Großaufgebot an. Vermummte Einsatzkräfte sprangen aus den Mannschaftswagen und stürmten das Gebäude. Mit teils schwerem Gerät verschafften sich die Polizisten Zutritt zu der Moschee und den dazugehörigen Gebäuden. In dem Gebäudekomplex traf die Polizei mehrere Personen an. Diese wehrten sich offenbar aber nicht gegen den Zugriff, auch habe es keine Festnahmen gegeben, berichtet ein NDR Reporter.

Einsatzkräfte der Polizei gehen auf das Gelände vom Islamischen Zentrum Hamburg mit der Imam Ali Moschee (Blaue Moschee) an der Außenalster. © picture alliance/dpa | Daniel Bockwoldt
Mit Flex und Kettensäge rückten die vermummten Einsatzkräfte der Polizei am frühen Morgen an.

Sichergestellt wurden laut Ministerium unter anderem eine große Zahl an IT-Geräten, zwei Fahrzeuge, mindestens 100.000 Euro Bargeld, Schriften sowie Unterlagen mit Bezug zu den verbotenen Terrororganisationen Hisbollah und Hamas. Es geht um Beweissicherung, aber auch um die Beschlagnahmung des Vereinsvermögens, das an den Bund fällt. Eine endgültige Bilanz des Einsatzes wird vermutlich erst sehr viel später erfolgen.

Die meisten durchsuchten Objekte in Norddeutschland

Allein in Hamburg wurden 30 Objekte durchsucht. In Niedersachsen waren es nach Angaben des Innenministeriums fünf, keines davon sei eine Moschee gewesen. Vier Durchsuchungen fanden demnach im Bereich der Polizeidirektion Oldenburg, eine im Bereich der Polizeidirektion Lüneburg statt.

In Mecklenburg-Vorpommern wurde eine private Wohnung in Greifswald durchsucht. Hier erlebten die Beamten allerdings eine Überraschung: "Im Ergebnis konnte der Durchsuchungsbeschluss in der Stadt Greifswald nicht vollstreckt werden, da sich der Betroffene der Maßnahme dort wohnlich nicht mehr aufhielt", teilte das Innenministerium in Schwerin mit. "Ermittlungen ergaben, dass sich der Mann mittlerweile beruflich in Niedersachsen aufhalten dürfte." Die AfD im Landtag sprach von einem "peinlichen Vorfall".

IZH wird seit Langem überwacht

Der Hamburger Verfassungsschutz beobachtet das IZH schon seit gut 30 Jahren und spricht in seinen Berichten von einem "verlängerten Arm" des iranischen Regimes in Europa. Die Leiter des Zentrums werden direkt vom obersten religiösen Führer des Iran ernannt und haben weit über die Hamburger Moschee hinaus Einfluss auf schiitische Gemeinden, so der Verfassungsschutz.

Weitere Informationen
Ahmad Mansour © dpa Foto: Kappeler
6 Min

Islamismus-Experte Mansour: "Die Politik hat nicht zugehört"

Seit zehn Jahren werde in Deutschland vor dem politischen Islam gewarnt, sagte Ahmad Mansour auf NDR Info. 6 Min

Antisemitische Hetze

Mit dem Grundgesetz seien viele Aktivitäten des Zentrums nicht vereinbar, heißt es in der Begründung des Verbots. Es würden radikal-islamische Positionen propagiert und antisemitische Hetze betrieben. Nach den Massenprotesten im Iran vor zwei Jahren und verschärft nach dem Hamas-Angriff auf Israel hatte es in der Politik immer wieder Forderungen nach einem Verbot des IZH gegeben. Der Verein verbreite als direkte Vertretung des iranischen "Revolutionsführers" in aggressiv-kämpferischer Weise die Ideologie der sogenannten "Islamischen Revolution" in Deutschland, so das Bundesinnenministerium. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: "Mir ist es dabei sehr wichtig, klar zu unterscheiden: Wir handeln nicht gegen eine Religion." Die friedliche schiitische Glaubens- und Religionsausübung sei ausdrücklich nicht von dem Verbot berührt.

Guido Steinberg | Bild: NDR/Wolfgang Borrs © NDR/Wolfgang Borrs Foto: Wolfgang Borrs
AUDIO: Experte: Einfluss des IZH sollte nicht überbewertet werden (4 Min)

"Wirkungstreffer gegen den islamischen Extremismus"

"Dieser Tag tut Hamburgs Stadtgesellschaft gut", sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bei einer Pressekonferenz am Vormittag. "Es war in den letzten Jahren schwer erträglich, Berichte des Verfassungsschutzes zu den Aktivitäten in der Blauen Moschee und ihren Verbindungen zum Regime in Teheran zu lesen. Denn radikaler Islamismus und Antisemitismus haben keinen Platz in einer weltoffenen, demokratischen und freien Hansestadt." Laut Innensenator Andy Grote (SPD) ist das IZH "mit dem heutigen Tag Geschichte". Die Schließung "dieses Außenpostens des menschenverachtenden iranischen Regimes ist ein echter Wirkungstreffer gegen den islamischen Extremismus." Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) sprach von einer "sehr guten Entscheidung und einem wichtigen Schlag gegen den verlängerten Arm des menschenverachtenden Mullah-Regimes im Iran".

Natalie Amiri | Bild: NDR/Wolfgang Borrs © NDR/Wolfgang Borrs Foto: Wolfgang Borrs
AUDIO: Kommentar: IZH-Verbot markiert Kurswechsel in deutscher Iran-Politik (3 Min)

Kritik von der Opposition

CDU-Fraktionschef Dennis Thering warf SPD und Grünen vor, "dem Treiben des IZH jahrelang tatenlos zugesehen und sich erst auf massiven Druck und viel zu spät zu einem Verbotsverfahren durchgerungen" zu haben. Die Linken-Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir sagte: "Es wäre Augenwischerei, zu glauben, mit so einem Schritt allein ließe sich der Islamismus bekämpfen." Die Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Ria Schröder meinte, das Verbot sei keinen Tag zu früh gekommen.

Exil-Iraner und -Iranerinnen erleichtert über Verbot

Bei den Exil-Iranern und -Iranerinnen ist die Erleichterung über das Verbot groß. "Die Schließung des IZH ist ein wichtiger Meilenstein im Kampf gegen das menschenverachtende Regime im Iran aber auch gegen den weltweiten Islamismus. Seit Jahren haben wir Exil-Iraner und -Iranerinnen auf die Gefahr, die vom IZH ausgeht, hingewiesen. Wir sind froh, dass unsere Rufe nicht mehr überhört werden konnten", erklärte eine Exil-Iranerin. Sie hofft auf ein Ende "der beschämenden Appeasement-Politik des Westens" gegenüber dem iranischen Regime.

Der Exil-Iraner Reza Alipour sei zuvor Umwege gegangen um nicht am Hamburger IZH vorbeikommen zu müssen. "Das dieser Angstfaktor weg ist, ist für mich eine pure Freude", sagte er.

Necla Kelek vom Verein Säkularer Islam hat ebenfalls lange auf dieses Verbot gewartet: "Diese Moschee hat Schulen in Hamburg und anderswo, sie sind in ganz Europa vernetzt und unterstützen ein islamistisches Regime im Iran. Dem wurde jetzt endlich ein Riegel vorgeschoben."

Weitere Informationen
Die Blaue Moschee an der Hamburger Außenalster. © picture alliance / Caro | Bastian

Blaue Moschee: Hintergründe zum Islamischen Zentrum Hamburg

Das IZH steht seit vielen Jahren in der Kritik. Wie es entstand und warum es seit mehr als 30 Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird: die wichtigsten Fragen und Antworten. mehr

Zukunft der Blauen Moschee unklar

Das Verbot des IZH geht mit einer Besonderheit einher: Die denkmalgeschützte Immobilie an der Außenalster geht nach Informationen von NDR, WDR und SZ nun in den Besitz des Staates über. Wie es mit den Gebäuden weitergehen soll, ist bislang unklar. "Wir werden gemeinsam mit dem Innenministerium über die Möglichkeiten einer zukünftigen Nutzung sprechen, die dem Charakter dieses Gebäudes an diesem besonderen Ort gerecht wird", sagte Tschentscher.

Die Blaue Moschee an der Hamburger Außenalster. © picture alliance/dpa | Christian Charisius
AUDIO: Was passiert in Zukunft mit der Blauen Moschee? (1 Min)

Ähnlich sieht es Dirk Kienscherf, Chef der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft. Es müsse "ein positiver Ort des Glaubens und der Kultur werden." Wie auch die Grüne Landesvorsitzende Maryam Blumenthal will er Menschen schiitischen Glaubens und die Exil-Iranerinnen und -iraner in die Entscheidungen über die künftige Nutzung einbeziehen. Auch die Landesvorsitzende der Linken, Sabine Ritter, sieht es so. Sie stellt sich aber auch die Frage, wie man sicherstellen könne, dass die Moschee als Gebetsraum erhalten bleibt – ohne, dass der Iran die Fäden ziehe.

Ein Polizist steht vor der Blauen Moschee in Hamburg. © Daniel Bockwoldt/dpa
AUDIO: Islamisches Zentrum Hamburg verboten (3 Min)

IZH seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet

Das IZH taucht seit etwa 30 Jahren auch regelmäßig in den Hamburger Verfassungsschutzberichten im Kapitel "Iranische Islamisten" auf. Es ist seit Anfang der 1960er-Jahre in der Imam-Ali-Moschee - auch als Blaue Moschee bekannt - an der Hamburger Außenalster ansässig. Die Moschee wurde zur Gründungszeit von in Hamburg lebenden iranischen Kaufleuten finanziert und diente als religiöser Anlaufpunkt der in der Hansestadt wohnenden Schiiten. Über eine Schließung des Zentrums wird seit Monaten diskutiert.

 

Weitere Informationen
Auf einem Schild vor der Blauen Moschee in Hamburg steht "Islamisches Zentrum Hamburg e.V. Imam Ali Moschee". © Screenshot
1 Min

Verbot des IZH: Die Blaue Moschee und ihr umstrittener Träger

Seit der Grundsteinlegung 1961 stand die Imam-Ali-Moschee immer wieder in der Kritik - auch in der iranischen Community. 1 Min

Polizistinnen und Polizisten stürmen die Blaue Moschee. © NDR
5 Min

Razzia beim islamischen Zentrum: Was bis jetzt bekannt ist

Seit dem Morgen geht die Polizei in der Blauen Moschee an der Alster und in sieben weiteren Bundesländern gegen den Verein vor. 5 Min

Einsatzkräfte der Polizei stehen während einer Razzia beim islamischen Zentrum Hamburg vor der Imam Ali Moschee (Blaue Moschee) an der Außenalster. © dpa Foto: Daniel Bockwoldt

Großrazzia gegen Islamisches Zentrum Hamburg

Das IZH gilt als verlängerter Arm des Regimes im Iran. Es gibt Durchsuchungen in sieben Bundesländern. Im Fokus steht die Blaue Moschee an der Außenalster. (16.11.2023) mehr

Blick auf die Blaue Moschee an der Außenalster. © Markus Scholz/dpa

Hamburgs SPD, Grüne, CDU und FDP fordern Schließung des IZH

Das Islamische Zentrum Hamburg gilt als verlängerter Arm des Mullah-Regimes im Iran. Das Bundesinnenministerium prüft eine Schließung noch. (25.10.2023) mehr

Fredrich Merz spricht im Bundestag. © picture alliance/dpa Foto: Michael Kappeler

IZH in Hamburg: Schließung auch im Bundestag gefordert

Das Innenministerium prüft eine Schließung des Islamischen Zentrums in Hamburg. Auch prominente Stimmen im Bundestag fordern das. (12.10.2023) mehr

Die Blaue Moschee in Hamburg. © picture alliance/ABBfoto

Hamburg: Neue Debatte über Blaue Moschee und Islam-Staatsverträge

Nach dem Angriff der Hamas auf Israel sind beide Diskussionen wieder neu entfacht. Mehrere Parteien fordern eine Schließung der Blauen Moschee. (10.10.2023) mehr

Die Blaue Moschee an der Hamburger Alster. © picture alliance / dpa Foto: Daniel Bockwoldt

Verfassungsschutz darf IZH als islamistisch einstufen

Das Verwaltungsgericht hat die Einordnung des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) als Organisation des Islamismus für rechtmäßig erklärt. (30.06.2023) mehr

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 24.07.2024 | 19:30 Uhr

Mehr Nachrichten aus Hamburg

Zwei Polizisten stehen vor einem Hauseingang in Harburg. Dort wurde eine tödlich verletzte Frau auf dem Fußweg gefunden. © BlaulichtNews

Tote Frau in Harburg: Hamburger Polizei ermittelt

Die Hamburger Polizei ermittelt nach einer Gewalttat in Harburg. Dort erlag eine Frau am Sonntagmorgen ihren schweren Verletzungen. mehr