Islamisches Zentrum Hamburg verboten - Blaue Moschee beschlagnahmt
Das Bundesinnenministerium hat ein Vereinsverbot gegen das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) ausgesprochen. Am Mittwoch ging die Polizei in der Blauen Moschee an der Alster und in sieben weiteren Bundesländern gegen den Verein vor.
Es war ein seit Langem erwarteter Schlag der Sicherheitsbehörden. Hunderte Beamtinnen und Beamte rückten am Mittwochmorgen vor der Blauen Moschee an der Hamburger Alster und vor den Räumlichkeiten von bundesweit fünf Vereinen an, die dem Islamischen Zentrum Hamburg nahestehen. Es gab Durchsuchungen in insgesamt 53 Objekten wie Moscheen, Vereinsräumen und Wohnungen in Hamburg, Bremen, Berlin, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Material und Vermögen wurden beschlagnahmt.
Als Protest gegen das Verbot des IZH hat das iranische Außenministerium den deutschen Botschafter in Teheran einbestellt. Aus dem Islamischen Zentrum gab es bislang keine Reaktion auf das Verbot. Der Verein war bislang für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Vermummte Einsatzkräfte stürmen die Moschee
Vor der Blauen Moschee an der Hamburger Außenalster rückte die Polizei um Punkt 6 Uhr morgens mit einem Großaufgebot an. Vermummte Einsatzkräfte sprangen aus den Mannschaftswagen und stürmten das Gebäude. Mit teils schwerem Gerät verschafften sich die Polizisten Zutritt zu der Moschee und den dazugehörigen Gebäuden. In dem Gebäudekomplex traf die Polizei mehrere Personen an. Diese wehrten sich offenbar aber nicht gegen den Zugriff, auch habe es keine Festnahmen gegeben, berichtet ein NDR Reporter.
Sichergestellt wurden laut Ministerium unter anderem eine große Zahl an IT-Geräten, zwei Fahrzeuge, mindestens 100.000 Euro Bargeld, Schriften sowie Unterlagen mit Bezug zu den verbotenen Terrororganisationen Hisbollah und Hamas. Es geht um Beweissicherung, aber auch um die Beschlagnahmung des Vereinsvermögens, das an den Bund fällt. Eine endgültige Bilanz des Einsatzes wird vermutlich erst sehr viel später erfolgen.
Die meisten durchsuchten Objekte in Norddeutschland
Allein in Hamburg wurden 30 Objekte durchsucht. In Niedersachsen waren es nach Angaben des Innenministeriums fünf, keines davon sei eine Moschee gewesen. Vier Durchsuchungen fanden demnach im Bereich der Polizeidirektion Oldenburg, eine im Bereich der Polizeidirektion Lüneburg statt.
In Mecklenburg-Vorpommern wurde eine private Wohnung in Greifswald durchsucht. Hier erlebten die Beamten allerdings eine Überraschung: "Im Ergebnis konnte der Durchsuchungsbeschluss in der Stadt Greifswald nicht vollstreckt werden, da sich der Betroffene der Maßnahme dort wohnlich nicht mehr aufhielt", teilte das Innenministerium in Schwerin mit. "Ermittlungen ergaben, dass sich der Mann mittlerweile beruflich in Niedersachsen aufhalten dürfte." Die AfD im Landtag sprach von einem "peinlichen Vorfall".
IZH wird seit Langem überwacht
Der Hamburger Verfassungsschutz beobachtet das IZH schon seit gut 30 Jahren und spricht in seinen Berichten von einem "verlängerten Arm" des iranischen Regimes in Europa. Die Leiter des Zentrums werden direkt vom obersten religiösen Führer des Iran ernannt und haben weit über die Hamburger Moschee hinaus Einfluss auf schiitische Gemeinden, so der Verfassungsschutz.
Antisemitische Hetze
Mit dem Grundgesetz seien viele Aktivitäten des Zentrums nicht vereinbar, heißt es in der Begründung des Verbots. Es würden radikal-islamische Positionen propagiert und antisemitische Hetze betrieben. Nach den Massenprotesten im Iran vor zwei Jahren und verschärft nach dem Hamas-Angriff auf Israel hatte es in der Politik immer wieder Forderungen nach einem Verbot des IZH gegeben. Der Verein verbreite als direkte Vertretung des iranischen "Revolutionsführers" in aggressiv-kämpferischer Weise die Ideologie der sogenannten "Islamischen Revolution" in Deutschland, so das Bundesinnenministerium. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: "Mir ist es dabei sehr wichtig, klar zu unterscheiden: Wir handeln nicht gegen eine Religion." Die friedliche schiitische Glaubens- und Religionsausübung sei ausdrücklich nicht von dem Verbot berührt.
"Wirkungstreffer gegen den islamischen Extremismus"
"Dieser Tag tut Hamburgs Stadtgesellschaft gut", sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bei einer Pressekonferenz am Vormittag. "Es war in den letzten Jahren schwer erträglich, Berichte des Verfassungsschutzes zu den Aktivitäten in der Blauen Moschee und ihren Verbindungen zum Regime in Teheran zu lesen. Denn radikaler Islamismus und Antisemitismus haben keinen Platz in einer weltoffenen, demokratischen und freien Hansestadt." Laut Innensenator Andy Grote (SPD) ist das IZH "mit dem heutigen Tag Geschichte". Die Schließung "dieses Außenpostens des menschenverachtenden iranischen Regimes ist ein echter Wirkungstreffer gegen den islamischen Extremismus." Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) sprach von einer "sehr guten Entscheidung und einem wichtigen Schlag gegen den verlängerten Arm des menschenverachtenden Mullah-Regimes im Iran".
Kritik von der Opposition
CDU-Fraktionschef Dennis Thering warf SPD und Grünen vor, "dem Treiben des IZH jahrelang tatenlos zugesehen und sich erst auf massiven Druck und viel zu spät zu einem Verbotsverfahren durchgerungen" zu haben. Die Linken-Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir sagte: "Es wäre Augenwischerei, zu glauben, mit so einem Schritt allein ließe sich der Islamismus bekämpfen." Die Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Ria Schröder meinte, das Verbot sei keinen Tag zu früh gekommen.
Exil-Iraner und -Iranerinnen erleichtert über Verbot
Bei den Exil-Iranern und -Iranerinnen ist die Erleichterung über das Verbot groß. "Die Schließung des IZH ist ein wichtiger Meilenstein im Kampf gegen das menschenverachtende Regime im Iran aber auch gegen den weltweiten Islamismus. Seit Jahren haben wir Exil-Iraner und -Iranerinnen auf die Gefahr, die vom IZH ausgeht, hingewiesen. Wir sind froh, dass unsere Rufe nicht mehr überhört werden konnten", erklärte eine Exil-Iranerin. Sie hofft auf ein Ende "der beschämenden Appeasement-Politik des Westens" gegenüber dem iranischen Regime.
Der Exil-Iraner Reza Alipour sei zuvor Umwege gegangen um nicht am Hamburger IZH vorbeikommen zu müssen. "Das dieser Angstfaktor weg ist, ist für mich eine pure Freude", sagte er.
Necla Kelek vom Verein Säkularer Islam hat ebenfalls lange auf dieses Verbot gewartet: "Diese Moschee hat Schulen in Hamburg und anderswo, sie sind in ganz Europa vernetzt und unterstützen ein islamistisches Regime im Iran. Dem wurde jetzt endlich ein Riegel vorgeschoben."
Zukunft der Blauen Moschee unklar
Das Verbot des IZH geht mit einer Besonderheit einher: Die denkmalgeschützte Immobilie an der Außenalster geht nach Informationen von NDR, WDR und SZ nun in den Besitz des Staates über. Wie es mit den Gebäuden weitergehen soll, ist bislang unklar. "Wir werden gemeinsam mit dem Innenministerium über die Möglichkeiten einer zukünftigen Nutzung sprechen, die dem Charakter dieses Gebäudes an diesem besonderen Ort gerecht wird", sagte Tschentscher.
Ähnlich sieht es Dirk Kienscherf, Chef der SPD-Fraktion in der Bürgerschaft. Es müsse "ein positiver Ort des Glaubens und der Kultur werden." Wie auch die Grüne Landesvorsitzende Maryam Blumenthal will er Menschen schiitischen Glaubens und die Exil-Iranerinnen und -iraner in die Entscheidungen über die künftige Nutzung einbeziehen. Auch die Landesvorsitzende der Linken, Sabine Ritter, sieht es so. Sie stellt sich aber auch die Frage, wie man sicherstellen könne, dass die Moschee als Gebetsraum erhalten bleibt – ohne, dass der Iran die Fäden ziehe.
IZH seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet
Das IZH taucht seit etwa 30 Jahren auch regelmäßig in den Hamburger Verfassungsschutzberichten im Kapitel "Iranische Islamisten" auf. Es ist seit Anfang der 1960er-Jahre in der Imam-Ali-Moschee - auch als Blaue Moschee bekannt - an der Hamburger Außenalster ansässig. Die Moschee wurde zur Gründungszeit von in Hamburg lebenden iranischen Kaufleuten finanziert und diente als religiöser Anlaufpunkt der in der Hansestadt wohnenden Schiiten. Über eine Schließung des Zentrums wird seit Monaten diskutiert.