Hamburger Hafen: Reederei MSC will bei der HHLA einsteigen
Die Containerreederei MSC will beim Hafenbetreiber Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) einsteigen. Der in Genf ansässige Konzern und die Hansestadt unterzeichneten am Mittwoch einen verbindlichen Vorvertrag zur Gründung einer strategischen Partnerschaft, wie beide Seiten mitteilten.
Demnach soll die knappe Mehrheit des Unternehmens in Besitz Hamburgs bleiben. MSC möchte 49,9 Prozent der Aktien der HHLA. Die Reederei bietet den freien Aktionären und Fonds 16,75 Euro pro Aktie. Zudem will die Schweizer Reederei dem Hamburger Senat 19 Prozent seiner HHLA-Aktien abkaufen. Die Hansestadt würde 50,1 Prozent der Aktien behalten.
MSC sichert eine Million Container jährlich zu
MSC sichert zu, seine Ladungsmenge in Hamburg von 2025 an deutlich zu erhöhen. Von 2031 an sollen es mindestens eine Million Standardcontainer pro Jahr sein. In der Hafencity soll eine neue Deutschlandzentrale entstehen, auch die Kreuzfahrtsparte MSC Cruises soll hier einen neuen Heimathafen bekommen. Mit zusätzlich 700 Arbeitsplätzen werde sich dabei die Mitarbeiterzahl in Hamburg mehr als verdoppeln, sagte MSC-Chef Soren Toft. Mit dieser sehr wichtigen und strategischen Zusammenarbeit werde Hamburg zukünftig ein Knotenpunkt.
Tschentscher: Hamburg behält das letzte Wort
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) betonte, Hamburg behalte auch in allen geschäftlichen Fragen das letzte Wort. Die strategische Partnerschaft der Hansestadt mit der Großreederei sei ein Meilenstein für den Hafen. Der Senat habe schon lange an einer Partnerschaft gearbeitet, um den Hafen wettbewerbsfähiger zu machen, so Tschentscher: "Die Transaktion greift ein starkes Bekenntnis von MSC zum Hamburger Hafen auf, entspricht den strategischen Zielen des Senats in der Hafenpolitik und kann unserer gesamten maritimen Wirtschaft die Schubkraft geben, die in schwierigen Zeiten gebraucht wird."
Hamburg hatte in den vergangenen Jahren mit mehreren Interessenten verhandelt, heißt es im Rathaus. Senat und MSC fädelten den spektakulären Hafendeal unter größter Geheimhaltung ein. Zwei Senatoren flogen dazu im Juni nach Genf, wie NDR 90,3 erfuhr.
Leonhard: "Hamburg bekommt ganz viel Einfluss zurück"
Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) erklärte im NDR Fernsehen, dass Hamburg viel Einfluss auf den Hafen zurückbekommen würde. "Im Moment ist die HHLA an der Börse notiert, 30 Prozent der Anteile sind fast in Streubesitz mit ganz unterschiedlichen Menschen." Dadurch habe man keinen strategischen Gegenüber. "Mit MSC bekämen wir dann ein strategisches Gegenüber, um die HHLA in die Zukunft zu führen und gut aufzustellen für die Herausforderungen."
Senat, Bürgerschaft und EU müssen zustimmen
Die HHLA teilte mit: "Im engen Austausch mit dem Aufsichtsrat der HHLA wird der Vorstand das angekündigte Angebot im besten Unternehmensinteresse und unter Wahrung der Interessen aller Stakeholder prüfen und bewerten." Auch der Senat und die Bürgerschaft müssen einem Einstieg von MSC bei der HHLA zustimmen. Zudem muss die EU das Geschäft aus Wettbewerbssicht absegnen.
Habeck: Vorerst keine Bedenken beim Hamburger Hafen-Deal
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat gegen die Einstiegspläne vorerst keine Bedenken. Die Schweiz sei in eine europäische Wirtschaftsordnung anders eingebunden als China, sagte Habeck bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Mittwoch. Dort müsse nicht per se geprüft werden, ob Investitionen gegen die Sicherheit und Ordnung verstoßen. "Sie können aber prüfen lassen, um ganz sicher zu gehen", sagte Habeck. Ob diese Karte letztlich gezogen werde, sei noch offen.
Kühne erwägt ein Gegenangebot
Erst vergangene Woche hatte Logistik-Unternehmer Klaus-Michael Kühne Interesse an der HHLA bekundet - und vom Senat eine klare Absage kassiert. Nun erwägt Kühne ein Gegenangebot für die HHLA. Der angekündigte Einstieg der Schweizer Reederei MSC sei ein Affront gegenüber Hapag-Lloyd als größtem Reederei-Kunden des Hamburger Hafens, sagte Kühne der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" nach einem Vorabbericht vom Mittwoch. "Ich kann Hapag-Lloyd nur dringend raten, selbst und sofort ein Übernahmeangebot für 49,9 Prozent der HHLA-Aktien abzugeben. Wenn Hapag-Lloyd es nicht tun würde, erwägt meine Kühne Holding AG, es kurzfristig zu tun." Die Kühne Holding hält 30 Prozent an Hapag-Lloyd.
Hapag-Lloyd ist "überrascht"
Angesichts des Deals zwischen Hamburg und MSC teilte Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben-Jansen mit: "Wir nehmen das zur Kenntnis. Wir gehen nicht davon aus, dass dies unser Verhältnis zur HHLA beeinflussen wird. Aber wir geben zu, dass wir überrascht sind."
Betriebsrat und ver.di skeptisch bis geschockt
Der Betriebsrat der HHLA und die Gewerkschaft ver.di gaben sich am Mittwoch regelrecht geschockt. "Die Stimmung bei den Kolleginnen und Kollegen ist jetzt erstmal: Wie geht es weiter?", sagte der Betriebsratsvorsitzende Christian Baranowski. "Das müssen wir jetzt bewerten." Für Hamburgs ver.di-Chefin Sandra Goldschmidt ist die Sache klar: Der geplante Teilverkauf der HHLA an die Reederei MSC lasse sich mit dem Verkauf der städtischen Krankenhäuser an Asklepios unter CDU-Bürgermeister Ole von Beust vergleichen. "Das ist auch das, worauf wir den kritischsten Blick haben: Also die Frage, ob wir hier wieder das Tafelsilber verscherbeln und inwiefern wir wirklich als Stadt noch einen Einfluss auf den Hafen haben werden."
Ver.di und HHLA-Beschäftigte wollen demonstrieren
Nach Informationen von NDR 90,3 planen ver.di und die Beschäftigten der HHLA eine größere Demonstration in der Innenstadt. Am kommenden Dienstag wollen sie mit ihrem Protestzug den geplanten Teilverkauf an MSC verhindern.
Linke spricht von Ausverkauf des Hamburger Hafens
Aus der Hamburgischen Bürgerschaft kommen unterschiedliche Reaktionen zum geplanten Einstieg von MSC bei der HHLA. Die Linke spricht von einem Ausverkauf des Hafens. "Die Folge dieser Übernahme ist der dominierende Einfluss einer Reederei auf alle Terminals der HHLA und damit auf einen bedeutenden Teil der Hafenentwicklung", sagte deren hafenpolitischer Sprecher Norbert Hackbusch. "Die Linksfraktion lehnt einen solchen Ausverkauf ab - der Hamburger Hafen ist kein Casino!"
Grüne: "Richtige Antwort auf drängende Wettbewerbsfragen"
Die MSC-Beteiligung sei "ein Schulterschluss, mit dem wir als rot-grüne Koalition die richtige Antwort auf drängende Wettbewerbsfragen geben", sagte hingegen Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen. Der gesamte Wirtschaftsstandort Hamburg würde damit gestärkt und robuster aufgestellt. "Eine perspektivisch höhere Umschlagsmenge und die Verlegung der Deutschlandzentrale eines weltweiten Players wie MSC zu uns an die Elbe sind darüber hinaus ein branchenweites und wichtiges Signal."
CDU begrüßt Öffnung der HHLA für private Investoren
Mit dem Übernahmeangebot von 49,9 Prozent der Aktien werfe MSC "der seit Jahren kriselnden HHLA und dem Senat den Rettungsring zu", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Götz Wiese. Die Öffnung der HHLA für private Investoren sei der richtige Schritt, "nach Jahren rot-grüner Misswirtschaft und Passivität im Hamburger Hafen." Es sei zu hoffen, dass die Beteiligung zu einer nachhaltigen Belebung des Containerumschlags führe. Aber viele Fragen seien noch offen.
FDP: Einstieg ist Chance und Risiko zugleich
Ein Einstieg sei Chance und Risiko zugleich, sagte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels. "Die marode Hafeninfrastruktur könnte davon profitieren. Jedoch könnten sich andere Reedereien von Hamburg abwenden, womit die Tonnage im Hafen weiter sinken würde."
Die AfD will parallel weiter mit Kühne und MSC verhandeln - um so möglicherweise den Preis für die HHLA hochzutreiben.
MSC hat 760 Containerschiffe im Einsatz
MSC ist nach der Anzahl der Schiffe die größte Containerreederei der Welt, vor der dänischen APM-Maersk. Der Container-Arm umfasst nach Unternehmensangaben 760 Schiffe, die 520 Häfen in 155 Ländern anlaufen. Das Unternehmen befindet sich in Privatbesitz der Familie Aponte. Zur MSC-Gruppe gehört mit MSC Cruises auch eine der größten Kreuzfahrtlinien.