Gruner+Jahr-Zeitschriften: RTL streicht rund 700 Arbeitsplätze
RTL hat am Dienstag die ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Gruner+Jahr in Hamburg darüber informiert, wie es mit ihrem Verlag weitergeht. Hunderte Arbeitsplätze sollen abgebaut werden.
Der neue Eigentümer von Gruner+Jahr plant in seinem Zeitschriftensegment den Wegfall von rund 700 der 1.900 Stellen. Dazu werden Magazintitel eingestellt und Verkäufe geprüft, während in die verbleibenden Kernmarken wie zum Beispiel "Stern" vor allem im Digitalen investiert wird, wie RTL am Dienstag mitteilte. Hintergrund sei das drohende Abrutschen der rückläufigen Publishing-Geschäfte in die Verlustzone.
13 Gruner+Jahr-Marken sollen im Portfolio von RTL bleiben
Konkret sollen die folgenden 13 Marken im Portfolio von RTL bleiben:
- "Stern"
- "Geo"
- "Capital"
- "Stern Crime"
- "Brigitte"
- "Gala"
- "Schöner Wohnen"
- "Häuser"
- "Couch"
- "Geolino"
- "Geolino mini"
- "Eltern" (digitaler Bereich)
- "Chefkoch" (digitaler Bereich)
Diese Marken machen nach Unternehmensangaben etwa 70 Prozent des Umsatzes aus. Bis 2025 sind Investitionen von rund 80 Millionen Euro geplant.
23 Zeitschriftentitel werden eingestellt
Alle anderen Zeitschriftentitel werden eingestellt oder verkauft. Keine Zukunft sieht RTL zum Beispiel für Ableger der Kernmarken wie "Geo Epoche" und "Geo Wissen", "Brigitte Woman" und "View". Der Vorsitzende der Geschäftsführung von RTL Deutschland, Thomas Rabe, sagte: "Viele der Titel sind Ableger. Wir können uns nicht vorstellen, diese zu verkaufen, wenn wir die Kernmarken 'Geo' und 'Brigitte' behalten. Sonst wäre eine einheitliche Markenführung nicht möglich." Auch die Magazine "Guido" um den Designer Guido Maria Kretschmer und "Barbara" um TV-Moderatorin Barbara Schöneberger werden eingestellt. Insgesamt sind es 23 Titel.
Verkauf mehrerer Marken und Beteiligungen angestrebt
Einen Verkauf prüft RTL für die fünf Marken "Business Punk", "Art", "P.M.", "Beef!" und "Salon". Die RTL-Beteiligungen an "11 Freunde" und an der Verlagsgruppe Deutsche Medien-Manufaktur in Münster ("Landlust", "Essen & Trinken") stehen ebenso zum Verkauf.
RTL: Stellen werden schrittweise abgebaut
Die RTL-Pläne führen dazu, dass rund 500 Stellen abgebaut werden. Das soll "bis Ende 2025 schrittweise" erfolgen. Der weit überwiegende Teil des Stellenabbaus betreffe Hamburg und sei nicht im redaktionellen Bereich, sondern in Verwaltungsbereichen geplant. Hinzu kommen etwa 200 Stellen, die durch den geplanten Verkauf auf neue Eigner übergehen würden. Mit dem Wegfall von rund 700 Stellen wäre das mehr als jede dritte der 1.900 Vollzeitstellen im Zeitschriftensegment, die vorwiegend in Hamburg angesiedelt sind.
Umzug in neue Räume bis Ende 2024
Hamburg solle als Zeitschriften-Standort aber erhalten bleiben. Rabe sagte: "Wir bleiben mit den Geschäften in Hamburg - bis auf die Corporate-Funktionen, die überwiegend in Köln gebündelt werden." Demnach sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hamburg bis Ende 2024 in neue Räumlichkeiten ziehen. Einen genauen Ort nannte Rabe nicht. Man schaue sich im Moment mehrere Standorte an.
"Gewissenlose Profitmaximierung"
RTL-Chef Rabe spricht von Konzentration und Neuausrichtung - Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Gewerkschaften von einem Schock und einem "verheerenden Aderlass". Als "gewissenlose Profitmaximierung" bezeichnete der Vorsitzende des Deutschen Journalisten Verbandes, Frank Überall, die RTL-Pläne. Gruner+Jahr werde abgewickelt, und auch die verbleibenden Titel seien nicht sicher.
Demo auf dem Rathausmarkt
Auf dem Rathausmarkt fand am Mittag eine Demonstration gegen die Pläne von RTL statt. Mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betroffenen Zeitschriften protestierten lautstark. Außerdem übergaben sie Hamburgs Kultur- und Mediensenator Carsten Brosda (SPD) eine Unterschriftenliste gegen den Arbeitsplatzabbau. Brosda sagte vor den Verlags-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das sei ein Tag, der ihn sehr betroffen mache. Zugleich bekräftigte er, dass die Politik sich weiter stark machen wolle für den Medienstandort Hamburg.
Kritik aus der Hamburger Politik
Auch ansonsten kam viel Kritik aus der Politik. "RTL und Bertelsmann opfern Gruner+Jahr der Profitgier, ohne sich um die Menschen zu kümmern, die in den vergangenen Jahren für exzellenten, informativen und unterhaltsamen Journalismus standen", sagte der SPD-Medienpolitiker Hansjörg Schmidt. Das sei eine Schande. Der Grünen-Medienpolitiker Farid Müller sprach von einem bitteren und tiefen Einschnitt für den ehemals stolzen Verlag. "Auch für den Qualitätsjournalismus ist heute ein trauriger Tag, denn genau dafür stand Gruner+Jahr über Jahrzehnte."
"Zerschlagung des Hamburger Traditionsverlags"
Nach Ansicht des Linken-Medienpolitikers Norbert Hackbusch bedrohten die geplanten Entlassungen und Umstrukturierungen den Medienstandort Hamburg. "Die Einstellung diverser Zeitschriften ist nicht nur ein Angriff auf Arbeitsplätze, sondern auch den Journalismus und damit auf Teilhabe, Wissen, Aufklärung und Demokratie." "Die Zusammenführung von RTL und Gruner+Jahr ist faktisch gescheitert und hat jetzt fatale Folgen, insbesondere für die Mitarbeiter", sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering. Erhoffte Synergien hätten sich nicht ergeben und liefen nun "auf eine Zerschlagung des Hamburger Traditionsverlags hinaus".