Gewalt an Frauen: Hamburger Kampagne nimmt Täter in den Blick
Am Sonnabend ist der internationale Tag gegen Gewalt an Frauen begangen worden. Laut Bundeskriminalamt sind im vergangenen Jahr 319 Frauen in Deutschland von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet worden. Und in Hamburg suchen jeden Tag im Schnitt vier Frauen eine Beratungsstelle wegen häuslicher Gewalt auf.
Zum Tag gegen Gewalt an Frauen wurde am Sonnabend am Hamburger Rathaus eine Flagge gehisst - mit der Aufschrift "Hamburg sagt Nein zu Gewalt gegen Frauen". Am Nachmittag demonstrierte ein Bündnis verschiedener Organisationen gegen Gewalt an Frauen auf dem Domplatz und auch in Ottensen wurde für Frauenrechte demonstriert.
Viele Opfer kennen die Täter
Mehr als 1.500 Mädchen und Frauen waren 2022 laut Polizeilicher Kriminalstatistik in Hamburg Opfer von Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder Übergriffen. Mehr als drei Viertel der Opfer - nämlich 77 Prozent - kannten den Tatverdächtigen oder waren mit ihm verwandt. Erst Anfang der Woche ist in Barmbek ein Mann festgenommen worden. Er wird verdächtigt, seine Ehefrau getötet zu haben.
Neue Kampagne soll gezielt Männer ansprechen
Landespastor Dirk Ahrens meint, es ist an der Zeit, dass auch die Männer ihre Stimme gegen Gewalt an Frauen erheben. Die Hamburger Sozialbehörde will jetzt potenzielle männliche Täter ansprechen, und zwar mit einer Öffentlichkeitskampagne zur Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr. "Don't be that guy" - also "Sei nicht so ein Kerl" - heißt die Kampagne. Sie richtet sich gegen "toxische Männlichkeit" und soll helfen, dass potenzielle Täter sich mit ihrem eigenen Verhalten auseinandersetzen.
Özdemir: "Es fehlt an echter Täterarbeit"
2021 hatte die Fraktion der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft eine solche Kampagne für Hamburg vorgeschlagen. Ihre Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir sagt jetzt aber, das allein reiche nicht: "Man müsste auch mehr Angebote für Täter haben. Das heißt, die niedrigschwellige Täterarbeit auch wirklich stärken." Und das sei leider in Hamburg noch nicht der Fall, kritisiert sie.
Eine einzige Beratungsstelle für Täter
Rückhalt bekommt Özdemir von der Diakonie Hamburg. Wenn Gewalt gegen Frauen verhindert werden solle, müssten die Täter vermehrt in den Fokus rücken, heißt es dort. Bisher gibt es in der ganzen Stadt nur eine Beratungsstelle für Täter: das Hamburger Gewaltschutz-Zentrum. Dort haben sich laut Sozialbehörde zwischen 2019 und 2022 insgesamt 1.286 Menschen Hilfe gesucht.
Sozialverbände fordern mehr Plätze in Frauenhäusern
Grundsätzlich fordern deutsche Sozialverbände aber vor allem, deutlich mehr Plätze in Frauenhäusern zu schaffen. Das sei wegen der "erschreckenden Zunahme häuslicher Gewalt" dringend nötig, sagte Diakonievorstand Maria Loheide in Berlin. Ähnlich äußerten sich die Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Deutsche Frauenrat. Loheide verwies auf die Statistik des Bundeskriminalamtes. Das hatte für 2022 rund 240.500 Fälle häuslicher Gewalt registriert, bei etwa 157.800 davon ging es um Gewalt in der Partnerschaft. Das entspreche einem Anstieg der Gewalttaten durch Partner um 9,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Hamburgs Frauenhäuser sind überlastet
2011 wurde auch von Deutschland ein völkerrechtlicher Vertrag zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen unterzeichnet. Legt man den zugrunde, wären in Deutschland laut Diakonie 21.000 Frauenhausplätze nötig, aktuell stehen aber nur 6.800 Plätze zur Verfügung. In Hamburg gibt es sechs Frauenhäuser. Die sind allerdings meist voll, außerdem beklagen die Mitarbeiterinnen dort, sie hätten nicht ausreichend Zeit, sich um die Frauen zu kümmern.