Häusliche Gewalt: Immer mehr Frauen in MV suchen Hilfe
Weltweit zeigen Menschen anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen ihre Solidarität mit Betroffenen und deren Kindern. Auch Mecklenburg-Vorpommern hat sich zu dem Thema positioniert.
Vereine und Initiativen im Land sind angesichts der stark steigenden Zahl von Frauen, die Gewalt erfahren haben, in großer Sorge. Der Verein STARK MACHEN e.V. begleitet seit 33 Jahren Menschen in Rostock und Umgebung in ein gewaltfreies, selbstbestimmtes Leben. In einer Presseerklärung heißt es, dass die gegenwärtige Situation "schwierig" sei. Susann Christoph, die Leiterin der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking Rostock, sagt es so: "Wir haben ein exorbitantes Fallaufkommen und keine adäquate Personalausstattung [...] Im Grunde genommen greift bei uns die Triage - wir müssen täglich entscheiden, wen wir zuerst anrufen und wen nicht. Damit ist das Hilfenetz für Betroffene von häuslicher Gewalt nicht mehr für alle Menschen verfügbar." Sie betont, dass sich sehr viel mehr Menschen trauen, Beratung und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies sei einerseits gut, andererseits brauche es vor diesem Hintergrund auch die nötigen Rahmenbedingungen.
Zahl der Betroffenen in MV steigt
Ähnliche Erfahrungen hat auch Sarah Kesselberg gemacht. Sie arbeitet in der Landeskoordinierungsstelle CORA gegen häusliche und sexualisierte Gewalt in Rostock. "Dass in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2022 19 Prozent mehr Betroffene als 2021 und somit rund 10.000 Kinder und Erwachsene Unterstützung in den Frauenhäusern und Beratungseinrichtungen erhalten haben, kann bedeuten, dass das Thema zunehmend Aufmerksamkeit bekommt." Umso wichtiger sei die Umsetzung der Istanbul-Konvention. Dies ist ein Menschenrechtsvertrag, in welchem sich Deutschland, also auch Mecklenburg-Vorpommern, verpflichtet, die entsprechenden Artikel zum Schutz von Frauen und Kinder vor häuslicher Gewalt umzusetzen.
Der Weg aus der Gewalt ist weit
"Es fehlt in Rostock an Wohnraum für Frauen vor allem mit vielen Kindern. Es fehlen Angebote für Frauen, die psychisch erkrankt sind. Es geht um soziale Kontakte, Arbeit. Für Migrantinnen ist das durch oft bestehende Sprachbarrieren noch viel schwieriger. Hier wäre auch aufsuchende soziale Arbeit notwendig. Der Weg aus der Gewalt ist einfach nicht von heute auf Morgen getan“, erklärt Laura Schneider, die Kinder- und Jugendberaterin im Rostocker Frauenhaus. "Die Frauen verlieren oft alles - vor allem auch durch psychische Gewalt ihres Partners. Das wird von Behörden, Institutionen, Gerichten oft nicht gesehen, nicht verstanden, was das bedeutet und nicht anerkannt [...]".
Wunsch nach besserer Förderung
Die Vereine appellieren an die Politik - den Bund wie das Land - sich aktiv für eine angemessene Finanzierung des Beratungs- und Hilfenetzes einzusetzen. Häusliche und sexualisierte Gewalt existiere in allen gesellschaftlichen Milieus und sie reiße nicht ab. Frauenhäuser, Interventions- und Beratungsstellen in ganz Mecklenburg-Vorpommern müssten die Mittel haben, die sie brauchen, um die gesamtgesellschaftliche Aufgabe effektiv bewältigen zu können.
Im Dezember wird abgestimmt
Der Landesfrauenrat schreibt in einem offenen Brief, dass im Haushaltsentwurf der Landesregierung 200.000 Euro mehr für das Hilfenetz bereit stünden. Es sei aber schon jetzt abzusehen, dass der zusätzliche Finanzbedarf um ein Vielfaches höher ausfallen werde. Auf dieses Szenario solle sich die Landesregierung bereits im Hinblick auf den kommenden Doppelhaushalt vorbereiten. Der Landtag in Schwerin wird voraussichtlich im Dezember über die Mittel abstimmen.