Frauenhäuser in Hamburg sehen sich am Limit
Mitarbeiterinnen der Autonomen Frauenhäuser in Hamburg klagen, sie hätten zu wenig Zeit, Frauen und Kinder umfassend zu beraten. Und viele Frauenhausbewohnerinnen finden nur schwer eine Wohnung.
Acht Frauen werden derzeit von einer Mitarbeiterin betreut. Anika Ziemba, Mitarbeiterin der Hamburger Autonomen Frauenhäuser sagt, die Mitarbeiterinnen agierten nur noch als Feuerwehr. Sie könnten nur das Nötigste und Dringendste erledigen. "Das ist für eine Kriseneinrichtung, die mit akut von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern arbeitet, einfach zu wenig." Die Mitarbeiterinnen müssten die Krisen der Frauen und Kinder auffangen - und auch Krisen im Zusammenleben der Frauen, weil hoch belastete Menschen auf zu wenig Raum zusammenlebten. Und dafür brauche man Zeit. "Das ist mit einem Betreuungsschlüssel eins zu acht für eine Kriseneinrichtung einfach nicht möglich. Und das geht zulasten der Frauen und Kinder und der Mitarbeiterinnen", so Ziemba.
Frauenhäusern fehlt Geld
Die Sozialbehörde erklärt dazu, dass die Schutzhäuser seit 2018 ein Budget für Personalkosten erhalten. Damit könnten sie zusätzliches Personal einstellen. Das Geld reiche aber nicht aus, erwidert Ziemba, und prekäre Arbeitsverhältnisse wollen die Frauenhäuser nicht schaffen. Zudem fehle das Geld dann an anderer Stelle, etwa für Kinderspielzeug. Die Sozialbehörde ist aber mit den Frauenhäusern im Gespräch, wie eine neue Regelung aussehen könnte.
Arbeiten gegen die Uhr
Die Mitarbeiterinnen würden gern mehr Angebote machen, die den Frauen und Kindern helfen, ihren Alltag zu bewältigen und das Erlebte zu verarbeiten. Dafür sind sie auch qualifiziert, aber oft schaffen sie es eben nur, sich um akute Krisen der Frauen zu kümmern. "Ich habe einen Arbeitsalltag am Limit. Ich arbeite immer gegen die Uhr und ich sehe immer wieder, was hilfreich wäre, um mit Gewalt umzugehen und das nicht anbieten zu können", sagt Ziemba. Das lauge einfach aus.
Gleichzeitig müssten die Mitarbeiterinnen immer darauf achten, dass die stilleren Frauen nicht einfach hinten runterfallen. Oder eben auch die Kinder. Die Kinder im Frauenhaus bräuchten viel Aufmerksamkeit und Begleitung, sagt Ziemba. Und die Mitarbeiterinnen kümmern sich auch um Kitaplätze, Schulen und Termine in Kinderarztpraxen - auch das nimmt oft viel Zeit in Anspruch.
Platznot wird schlimmer
Ein weiteres Problem: wer einmal im Frauenhaus lebt, findet nur schwer eine Wohnung in Hamburg. "Ich arbeite in einem 31-Plätze -Haus und rund ein Drittel der Menschen, die da gerade leben, könnten ausziehen und tun es nicht, weil sie keine Wohnung finden", sagt Ziemba. Dadurch werde die Platznot verschlimmert. 2022 waren die aktuell 244 Plätze in Hamburgs Frauenhäusern laut Senat zu 95 Prozent ausgelastet. Im Schnitt leben Frauen und ihre Kinder in Hamburg 223 Tage in einem Frauenhaus.
Zu lange im Frauenhaus
"Ich habe jetzt seit fast einem Jahr einen Dringlichkeitsschein und noch nie ein Angebot erhalten. Ich versuche alles, um endlich eine Wohnung zu bekommen", erzählt eine Frauenhausbewohnerin mit zwei Kindern. "Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich hier drei Plätze belege, die andere Frauen und Kinder in Not dringend gebrauchen könnten." Eine andere Frau, die mit ihren fünf Kindern in einem der sechs Hamburger Frauenhäuser lebt, hat schon fast jede Hoffnung verloren, jemals in eine eigene Wohnung ziehen zu können: "Manchmal denke ich, ich werde für immer im Frauenhaus wohnen müssen. Meine Hoffnung, eine Wohnung zu finden, ist fast gestorben. Manchmal denke ich, ich wäre besser zu Hause geblieben. Ich bin mit den Kindern jetzt zehn Monate hier."
Endlich eine Wohnung
Doch es gibt auch Erfolgsmeldungen. Eine 32-Jährige ist im Mai mit ihrem achtjährigen Sohn in eine eigene Wohnung gezogen. Fast zwei Jahre lang hat sie mit ihrem Kind im Frauenhaus gelebt. "Das war schwer", sagt sie. "Es gab auch immer wieder viel Streit und in dem Frauenhaus gab es keinen Platz für Kinder. Das war alles viel zu eng."
Vivienda-Projekt vermittelt Wohnungen
Nun ist sie froh, den Absprung geschafft zu haben. Geholfen hat dabei die Lawaetz-Stiftung mit ihrem Vivienda-Projekt. Das existiert bereits seit Oktober 2014. Mit der Sozialbehörde ist vereinbart, dass Vivienda jährlich 65 Frauen mit ihren Kindern in Wohnungen vermittelt. Das Projekt kooperiert dabei mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SAGA und mit Wohnungsbaugenossenschaften. Seltener werden Frauen in privaten Wohnraum vermittelt. Die ehemaligen Frauenhausbewohnerinnen werden von Vivienda nach dem Umzug in eine eigene Wohnung drei Jahre lang begleitet. Auch für die Vermieter ist Vivienda so lange Ansprechpartner, sollte es Probleme geben.
Bedarf an Wohnungen groß
Die Sozialbehörde weiß, dass der Bedarf an Wohnungen für Frauen aus dem Frauenhaus größer ist und ist, laut Vivienda, aktuell auch im Gespräch darüber mit der Lawaetz-Stiftung. Inzwischen werden laut Sozialbehörde Frauen aus Frauenhäusern explizit als Wunschzielgruppe von mehreren Wohnungsprojekten benannt. Auch hier vermittelt das Projekt Vivienda .
Zentrale Hilfsangebote für Frauen in Hamburg:
- Notaufnahme 24/7 der Hamburger Frauenhäuser: 040 / 8000 4 1000
- Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: (0800) 0116016