In Hamburg-Billstedt leben knapp 20 Prozent der Menschen von Hartz IV. © NDR/Simona Dürnberg
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AUDIO: Hamburg-Wahl: Was Erstwähler im Stadtteil Billstedt bewegt (3 Min)

Bürgerschaftswahl: Was Erstwähler in Hamburg-Billstedt bewegt

Stand: 01.03.2025 15:01 Uhr

Nach der Bundestagswahl können junge Menschen nun auch bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg zum ersten Mal ihre Stimme abgeben. Wie blicken sie auf ihre erste Wahl in Hamburg?

von Andrea Brack Peña

In der Stadtteilschule Öjendorf in Hamburg-Billstedt hat die Oberstufe Politikunterricht bei Eric Hake. Die Stunde beginnt er mit einem aktuellen Thema: Die Münchener Sicherheitskonferenz mit den Aussagen des US-Vizepräsidenten J.D. Vance zum europäischen Demokratieverständnis.

"Von nichts kommt nichts"

Die Diskussion über Demokratie und Meinungsfreiheit entwickelt sich in der Klasse jedoch schnell zu einer Debatte über das wichtigste Thema für die Jugendlichen: Sie wählen zum ersten Mal - nach dem Bundestag nun auch die Hamburgische Bürgerschaft. In ihrem Stadtteil ist die Wahlbeteiligung niedrig. Bei der vergangenen Bürgerschaftswahl lag sie bei nur 43 Prozent. Für Mohamed Hussein ein Zeichen, dass die Menschen in Billstedt sich nicht mit den Parteien identifizieren können. "Die denken sich, die repräsentieren mich nicht." Dem 18-Jährigen entgegnet Meriam Alilouche: "Wir denken, dass auch wenn wir uns nicht wirklich beteiligen, dass trotzdem sich etwas verändern wird. Aber wir müssen uns ja als Gesellschaft auch aktiv einbringen. Von nichts kommt nichts."

Sich einbringen, das wollen sie hier. Auch wenn ihre Wählergruppe keine besonders große ist. Rund 73.000 junge Menschen können am 2. März zum ersten Mal eine neue Bürgerschaft wählen, sie machen knapp sechs Prozent der Wahlberechtigten aus. Die 18-jährige Pahal Makkar wartet schon lange auf diesem Moment. "Seitdem ich 15 bin", sagt sie. Wählen zu können, sei ein Privileg. Sie möchte Lehramt studieren. Das Thema Bildung und andere für sie wichtige Themen sieht sie jedoch im Wahlkampf bei fast allen Parteien unterrepräsentiert. Viel mehr würde über Migration gesprochen, sagt Pahal. "Andere Themen werden vernachlässigt. Zum Beispiel, dass viele Menschen sich sehr viel nicht mehr leisten können, dass sie finanziell sehr weit unten sind."

"Sehr viele Jugendliche fühlen sich verantwortlich"

Ihre Generation sei politisch sehr aktiv, weil es für sie um ihre Zukunft gehe, sagt Pahal. "Man hat das Gefühl, sei es mit der Umwelt, sei es mit der Wirtschaft, dass gerade viel kaputt geht und dadurch fühlen sich sehr viele Jugendliche quasi verantwortlich in dem Sinne, wenn wir älter sind, müssen wir es anders machen."

Ähnlich sieht es der Mustafa Rashid. Wie fällt später seine Rente aus? Werden seine Kinder es "genauso 'gut' haben" wie er? Auch wenn viele seiner Themen nicht in Hamburg entschieden würden, die Stadt könne ein Vorbild sein - und sei es auch schon in vielen einzelnen Punkten, betont der 19-Jährige. Bei der Bildung sei Hamburg schon "weit vorn".

"Arbeitende Menschen sollen mehr Lohn bekommen"

Emilia Weiß sitzt neben Mustafa und nickt ihm zu. Auch sie wird bei der Bürgerschaftswahl ihre Stimme abgeben. Sie hat sich sogar als Wahlhelferin gemeldet. "Meine Mama macht das auch", sagt sie. Viele Menschen wüssten nicht, wie sie das Kreuz richtig setzen. "Die Stimmen sind dann ungültig", erklärt Emilia. Diese Menschen möchte sie unterstützen. Auf "ihre Themen" bei der Hamburg-Wahl angesprochen, sagt sie: "Wir hatten hier in Hamburg gerade Streik von ver.di und ich finde es sehr wichtig, dass die arbeitenden Menschen mehr Lohn bekommen. Sei es nun, ob du im Hafen arbeitest oder als Friseur."

Laut Umfragen ist "Wohnen" für viele Hamburgerinnen und Hamburger eins der wichtigsten Themen. So auch für Mohamed Hussein. Viele, die in seinem Umfeld eine Wohnung oder Haus kaufen möchten, scheitern an den hohen Preisen. "Da können sie nicht mithalten."

Sorgen um eine Zukunft in Deutschland

Im Politikunterricht der Oberstufe der Stadtteilschule Öjendorf geht es auch viel um die Stimmung in der Gesellschaft. Viele Schülerinnen und Schüler machen sich Sorgen. "Wenn ich meine Eltern frage, sagen sie, dass es immer mehr Hass gibt gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund. Ich merke das auch", sagt Mohamed Hussein – von allen hier "Mo" genannt. Seine Eltern kommen aus Ägypten. Er ist mit ihnen im Alter von zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Auch Mustafas Eltern sind eingewandert. "Ich habe auch Angst, dass man alle Migranten in einer Schublade tut und, dass man sie am Ende abschiebt."

Weniger Hass und mehr Miteinander, auch dafür sollen ihre Kreuze bei dieser Bürgerschaftswahl stehen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 25.02.2025 | 08:37 Uhr

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