Bürgerschaftswahl: Was sich die Menschen in Billstedt wünschen
Seit Jahren wird der Abstand zwischen Arm und Reich in Hamburg größer. Ein seit Langem wirtschaftlich schwacher Stadtteil ist Billstedt. Der NDR hat sich auf dem Wochenmarkt dort umgehört, was die Menschen vor der Bürgerschaftswahl von der Politik erwarten.
Gut besucht aber längst nicht überfüllt ist der Wochenmarkt in Hamburg-Billstedt an einem Freitag kurz vor der Bürgerschaftswahl. Auffällig ist: Obwohl im Stadtteil mehr als 60 Prozent der Menschen eine Migrationsgeschichte haben, steht an den Ständen fast ausschließlich Kundschaft ohne eine solche. So wie ein Rentner-Ehepaar, das lange mit einem Obstverkäufer plaudert.
Forderung nach einer besseren Integration
Es müsse sich vieles ändern, sagt eine Rentnerin, zum Beispiel bei der Integration laufe nicht alles gut. "Indem man die Asylanten und Menschen, die hier Schutz suchen, immer alle in dasselbe Ballungsgebiet reinsetzt. Warum macht man das nicht alles ein bisschen verstreut, damit alle sich mehr integrieren?" Eine andere Rentnerin findet hingegen, dass Hamburg immer mehr verdrecke. "Es ist sehr, sehr viel zu tun, wo man viele Arbeitskräfte mobilisieren könnte", sagt sie. Es bewege sich einfach nichts, darum seien viele politikmüde geworden.
"Investition in die Bildung und berufliche Ausbildung"
Einen ganz anderen Eindruck hat eine ehemalige Lehrerin, die seit acht Jahren in Billstedt lebt und seither nur positive Erfahrungen gemacht hat. Probleme hätten nichts mit der Herkunft der Menschen zu tun. Die 54-Jährige hat auch konkrete Dinge, die die Politik aus ihrer Sicht tun sollte: "Als erstes würde ich in Bildung investieren und in Zugänge zur beruflichen Ausbildung." Außerdem wünscht sie sich für ihren Stadtteil, dass mehr in die Architektur und schönere Plätze investiert wird. Bislang habe keine der Parteien etwas für Billstedt getan, die Lehrerin überlege deshalb erstmals, nicht wählen zu gehen - denn man sehe ohnehin keine Wirkung.
In Billstedt gibt es einen Mangel an Ärzten
Ein Stückchen weiter steht eine Gruppe Männer mittleren Alters beieinander, sie alle führen entlang der Straße ein Geschäft. Einer von ihnen, ein gebürtiger Türke, will zwar wählen gehen, ist aber auch enttäuscht von der Politik und fühlt sich im Stadtteil ein bisschen vergessen. "Es sind wenige Ärzte hier. Man sagt, dass Billstedt ein bisschen anders gesehen wird. Deshalb wollen die Ärzte nicht herkommen, weil es eine arme Gegend ist", erklärt er.
"Wer in Billstedt einen Job sucht, findet auch einen"
Eine Venezolanerin, die erst vor einem Jahr nach Billstedt gezogen ist, hat hier relativ günstig ein Haus gefunden. Bestimmte Gegenden im Viertel meide sie allerdings - aus Angst vor kriminellen, jungen Männern. "Da sollte man schon was machen und besser darauf achten, wie man das unter Kontrolle bringen kann", findet sie. Eine Mutter, in jeder Hand eine Plastiktüte und zwei Kinder im Schlepptau, meint, sie habe zwar keine Ahnung von Politik, aber auch nichts zu meckern. Wirklichen Rassismus gebe es ihrer Meinung nach nicht. "Viele Schwarze haben Jobs. Es gibt Jobs für jede Klasse mit oder ohne Ausbildung zum Beispiel. Jeder, der einen Job finden möchte, kann ihn hier in Billstedt kriegen."
Junge Menschen leiden unter hohen Kosten
Ein paar Meter weiter an einer Café-Bude, kommen junge Frauen angeschlendert. Alle dürfen und wollen auch zum ersten Mal wählen, obwohl auch sie schon jetzt von der Politik enttäuscht sind. Es werde zu wenig für junge Menschen getan. "Die Mieten sind viel zu hoch, die Kosten sowieso für uns junge Menschen", finden sie. Eine der jungen Frauen ist Migrantin. Die jüngsten Debatten um die Zuwanderung und den Zulauf zur AfD empfindet sie als Affront gegen die Einwanderer und Einwanderinnen, die hier seit Jahren rechtschaffen sind und Steuern zahlen. "Deutschland hat sich eigentlich sehr entwickelt - und mit der AfD würden wir uns zurückentwickeln. Wir sollten natürlich aus unseren Fehlern lernen", sagt sie. Und weil sie mit ihr paktierte, ist für die junge Frau auch die CDU unwählbar geworden. Bei den letzten Bürgerschaftswahlen landeten beide Parteien in Billstedt bei ungefähr zehn Prozent.
Schlagwörter zu diesem Artikel
Bürgerschaftswahl
