Unverfälschte Noten - 75 Jahre Henle Musikverlag
Er wollte eigentlich er Musik studieren, entschied sich dann aber für Jura. Günter Henle (1899-1979) spielte Klavier auf so hohem Niveau, dass mit ihm niemand Geringerer als Yehudi Menuhin Konzerte gab. Auch mit David Oistrach hat er gespielt. Günter Henle wurde erst Diplomat und stieg dann in die Stahlindustrie ein, beim Klöckner-Konzern. Er hatte in den 1930-er Jahren die Stieftochter des Konzerninhabers geheiratet. Doch die Nazis vertrieben ihn, wegen jüdischer Urgroßeltern, aus der Konzernspitze. Die nahm er aber nach 1945 wieder ein. Damit nicht genug, Günter Henle stieg auch in die Politik ein und saß für die CDU im Bundestag, "Nebenbei" leitete er weiter seinen Konzern, und 1948 machte er seinen Traum war, er gründete einen "Verlag zur Herausgabe musikalischer Urtexte".
Urtext-Verlag Henle
Ausschließlich wissenschaftlich recherchierte Quellen ohne Zusätze sollten Grundlage für den Druck sein. Als intensiv Musik-Studierender, Günter Henle spielte auch Geige, hatten ihn immer die Notenausgaben gestört, bei denen die Vortragsanweisungen - manchmal von berühmten Persönlichkeiten wie etwa Busoni - so sehr den originalen Notentext überwucherten, dass man nicht mehr erkennen konnte, was eigentlich Mozart, Beethoven oder Schubert selbst gewollt hatten. So wurde und blieb der Henle Verlag der Urtext-Verlag. Ein Team von Wissenschaftlern forscht nach den Handschriften von Komponistinnen und Komponisten, aber auch nach frühen Drucken, die von den Komponisten noch autorisiert wurden. Damit soll der Idee der Komponisten und Komponistinnen so nah wie möglich gekommen werden. Alle Zusätze von Herausgebern werden deutlich gemacht. Es gab schon Ende des 19. Jahrhunderts erste "Urtext-Versuche", etwa beim Peters Verlag, aber die hatten keinen Erfolg. Zuerst waren die Konkurrenz-Verlage gar nicht begeistert und versuchten dem Quereinsteiger Henle Steine in den Weg zu legen. Doch mittlerweile stellen sie selbst Urtext-Ausgaben her und kooperieren auch mit dem Henle Verlag. Die "Urtext-Ausgaben" des Henle Verlags jedenfalls wurden maßstabsetzend und werden weltweit von Künstlern geschätzt. Sie arbeiten teilweise für den Verlag, indem sie Fingersätze herausgeben.
Plattformen wie YouTube, Facebook oder Instagram
Was den Henle Verlag im dritten Jahrtausend so erfolgreich macht, ist u. a. sein Umgang mit den digitalen Möglichkeiten. Ende der 1990-er ging die Verlags-Webseite an den Start, Plattformen wie YouTube, Facebook oder Instagram gehören selbstverständlich dazu, es gibt Blogs mit fundierten Texten. Ein großer "Renner" ist die Henle Library App. Sie bietet nicht nur auf Klick die gesamte Noten-Bibliothek des Verlags, sondern genuin digitale Möglichkeiten, die kein Druck leisten könnte. Verschiedene Fingersätze können per "Layer" geladen und erprobt werden, man kann von Einzelstimme auf Partitur umschalten oder mit einem Tablet-Pen eigene Einzeichnungen vornehmen und sogar per Mail verschicken.
Mit einem Titel hatte der Verlag in seinem Geburtsjahr 1948 begonnen, rund 1600 sind es im 75. Jubiläumsjahr.
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