Welt der Musik
Donnerstag, 27. März 2025, 19:00 bis
20:00 Uhr

"Mozart hat die Grenzen der Musik erreicht und sich darüber geschwungen, die alten Meister, die Modernen und die Nachwelt selbst hinter sich lassend." Was der Zeitgenosse Muzio Clementi über Mozarts große g-Moll-Sinfonie Nr. 40 gesagt hat, fasziniert Jörg Widmann. Der Erste Gastdirigent der NDR Radiophilharmonie taucht im Gespräch mit Raliza Nikolov ein in die Partitur und erklärt begeisternd aus seiner Erfahrung als Komponist, Klarinettist und Dirigent heraus, warum diese Sinfonie noch heute so modern ist. Ein Werk, in dem Mozart sogar schon die Grenzen der Tonalität überschritten hat.
Neue Musik
Wenn Jörg Widmann über Mozarts g-Moll-Sinfonie spricht, fällt immer wieder das Wort "kriminell" - das sei ein heller Wahnsinn, was Mozart da mache. So viel Chromatik, so viel Oper (eine Stelle erinnert ihn zum Beispiel an Don Giovannis "Champagner-Arie"), und auch wenn keine Pauken dabei sind, gibt es doch Passagen, wo man ihre Schläge förmlich hört. Man könne Clementi, wie er das beschreibt, gar nicht übertreffen. Und Jörg Widmann fügt hinzu: "Als ich mir das erste Mal die Partitur eingerichtet habe, habe ich bei einer modernen Partitur aus unserer Zeit nie so lange gebraucht, wie um diese harmonischen unerhörten Wendungen zu verstehen und mir Notizen zu machen. Das ist neue Musik."
Eine der beliebtesten Sinfonien der Welt
Warum das "neue Musik" ist, an welcher Stelle Mozart Schönberg vorwegnimmt, warum Mozart immer wieder so frech ist, erklärt Jörg Widmann - und spricht an, dass es unerklärlich ist, wie eine so zerklüftete, so dissonante, so unversöhnliche Sinfonie zur berühmtesten und beliebtesten der Welt werden konnte, mit einer Melodie, die es zum Handy-Klingelton geschafft hat.
Fassung mit Klarinetten
Von der g-Moll-Sinfonie (Nr. 40 KV 550) gibt es zwei Fassungen, eine ohne, eine mit Klarinetten. Es verwundert nicht, dass der Klarinettist Jörg Widmann zwar beide Fassungen schon dirigiert hat, sich aber zunehmend für die spätere mit Klarinetten entscheidet, so auch für die Konzerte mit der NDR Radiophilharmonie Anfang April in Hannover, Lübeck und Kiel: "Wenn man einmal die Fassung mit den Klarinetten gehört hat, erkennt man: Das ergibt einen solchen Reichtum, auch Figurenreichtum, zum Beispiel im Finale. Wenn man es einmal mit Klarinetten gehört hat, kann man es sich nicht mehr anders vorstellen. Die Oboen lieben natürlich die andere Fassung, aber zum Beispiel auch im langsamen Satz ist es schön, dass mit den Klarinetten eine andere Färbung dazukommt."
Ob Mozart nur die Fassung mit Klarinetten gelten lassen wollte, bleibt Spekulation. Jörg Widmann möchte jedenfalls nicht die eine Fassung gegen die andere ausspielen. Er liebt die mozartsche Mehrdeutigkeit.
Eine Sendung von Raliza Nikolov.
