Welt der Musik
Sonntag, 18. Februar 2024, 18:00 bis
19:00 Uhr
Johann Sebastian Bach ist für ihn "der größte" Komponist. Das sagte András Schiff während seines Soloabends am 10. Januar in der Elbphilharmonie in Hamburg. Ein durchaus ungewöhnliches Konzert - griff der Pianist doch immer wieder zum bereit liegenden Mikrofon, um sein Programm anzusagen und zu erläutern. Und er würzte seine Erklärungen ab und an mit witzigen Bonmots, kündigte auch an, dass er nicht Liszt und Rachmaninoff spielen werde. Wenn das Publikum deren Musik hören möchte, müsse es "in ein anderes Restaurant gehen". In der Tat hat Schiff Musik von Franz Liszt nur in seinen jungen Jahren aufgeführt. So spielte er zum Beispiel im Herbst 1975 dessen 1. Klavierkonzert in der Komischen Oper in Berlin - übrigens mit großem Erfolg. Die Werke von Johann Sebastian Bach hat Schiff dagegen seit seiner frühen Jugend im Repertoire. Er liebt dessen Musik, spielt sie sogar täglich "vor dem Frühstück".
Konzerte in Hamburg
Die Elbphilharmonie veranstaltet seit dem 9. Januar 2024 einen "Schwerpunkt" mit sechs Konzerten, die Schiff und sein Klavierspiel in den Mittelpunkt stellen. Und NDR Kultur begleitet gleichsam diese Konzertreihe - das letzte Konzert findet am 26. Juni statt - mit einer dreiteiligen Folge von Sendungen, die Schiff als Bach-, Mozart- und Schubert-Interpreten würdigen. Aus diesem Anlass gab der 2014 von der Queen geadelte Pianist NDR Kultur zwei zeitlich großzügig bemessene Interviews.
Großartige Lehrer
Der 1953 in Budapest geborene Schiff hatte das große Glück, dass es bis mindestens in die 1980er-Jahre hinein in Ungarn eine hervorragende musikalische Ausbildung gab - von der Grundschule bis zum Studium an der Musikakademie "Franz Liszt", wo zwei der Klavier-Meisterklassen von bedeutenden Pädagogen geleitet wurden: dem Komponisten und Pianisten Pál Kadosa (1903-1983) und dem Pianisten Ferenc Rados (Jahrgang 1934). Beide bildeten eine ganze Reihe international erfolgreicher Pianisten aus, zu denen auch Schiff und sein 2016 verstorbener Kollege Zoltán Kocsis gehören. Ebenso wichtig war der Unterricht, den Schiff durch den inzwischen weltbekannten Komponisten György Kurtág erhielt. Kurtág lehrte ihn die akribische musikalische Analyse - seither auch ein Kennzeichen von Schiffs Klavierspiel.
George Malcolm
Zu Schiffs Förderern gehört ebenfalls der 1997 verstorbene englische Cembalist, Pianist und Dirigent George Malcolm. Schiff besuchte ihn seit seiner Jugendzeit häufig, spielte mit ihm vierhändig, und sein Verständnis der Musik von Johann Sebastian Bach wurde durch Malcolm nachhaltig geprägt. Mit dem etwa 35 Jahre älteren englischen Musiker verband Schiff schon nach kurzer Zeit eine lebenslange Freundschaft, und er lud Malcolm nach Budapest ein, um mit ihm dort in der Musikakademie "Franz Liszt" vierhändig zu konzentrieren.
Keine Bearbeitungen
Die weithin bekannten Klavier-Bearbeitungen von Bachs Orgel- und Violin-Werken verabscheut Schiff geradezu. Für ihn sind nur Bachs Original-Werke akzeptabel, die er allerdings nicht nur auf einem modernen Konzertflügel spielt - am liebsten wohl auf seinem oft mitgeführten "Bösendorfer". Längst spielt er Bach auch auf einem Klavichord, dessen Klangentfaltung und dessen spieltechnische Möglichkeiten ihm entscheidende Hinweise vermitteln, welche Tempo-Vorstellungen Johann Sebastian Bach bei der Wiedergabe seiner Werke für Tasteninstrumente gehabt haben könnte. Und Schiff ist überzeugt, dass das Klavichord Bachs Lieblingsinstrument war.
Eine Sendung von Thomas Böttger.