Welt der Musik
Sonntag, 16. Juli 2023, 18:00 bis
19:00 Uhr
Als Komponist und als Persönlichkeit war Hanns Eisler (1898-1962) in der DDR hoch angesehen, die Musikhochschule in Berlin trug und trägt auch heute noch seinen Namen. Seine Werke wurden bis 1989 häufig aufgeführt, seine Vorträge und Interviews zu musikalischen, kulturpolitischen, philosophischen und politischen Themen publiziert. In der "alten" Bundesrepublik Deutschland spielten Eislers Werke und sein Wirken dagegen eine marginale Rolle. Sein vehementes Eintreten für die kommunistische Ideologie und Utopie sowie seine offene Ablehnung bestimmter musikalischer Stile in der BRD haben sicher dazu beigetragen.
Nach dem Fall der Mauer 1989 wurde es zunächst um Hanns Eisler in ganz Deutschland still. Aber seit einer Reihe von Jahren ist es nun soweit: Hanns Eislers Bedeutung für die Musikgeschichte wird endlich - auch unabhängig von politischen Zeitläuften - neu bewertet und gewürdigt. Es gilt jetzt für viele Musiker und Musikfreunde, Eislers Leistungen auf dem Gebiet der Sinfonik, der Kammermusik und der Lied-Komposition vorurteilsfrei zu entdecken.
Leipzig, Wien
Hanns Eisler (Geburtsname: Johannes) wurde am 6. Juli 1898 in Leipzig als drittes Kind des jüdischen Philosophen Dr. Rudolf Eisler und der Fleischers-Tochter Ida Maria Fischer, die aus einer sozialistisch geprägten Familie kam, geboren. Um 1901 übersiedelte die Familie nach Wien, wo der Vater aber als erklärter Atheist an der Universität keine Anstellung erhielt, sodass die Eislers in ärmlichen Verhältnissen leben mussten und Rudolf Eisler als Privatgelehrter arbeitete.
Musiktheorie brachte sich Hanns Eisler zunächst selbst bei und begann 1909 mit ersten Kompositionsversuchen. 1916 wird Eisler zum Militär eingezogen und erleidet als Soldat den ersten Weltkrieg mit. Nach dem Krieg kehrt Eisler nach Wien zurück, lebt bitterarm in einer WG und heiratet zum ersten Mal. Eines will er unbedingt: Musik studieren. Von 1919-1923 ist er, der sich nach einem strengen Lehrer sehnt, in Wien Privatschüler bei dem Komponisten Arnold Schönberg, der Eisler unentgeltlich unterrichtet. Ab 1920 leitet Eisler bereits Arbeitet-Chöre, was übrigens auch Arnold Schönberg tat.
Zwölftontechnik
Ab 1924 wendet Hanns Eisler erstmals die sogenannte "Zwölftontechnik" seines Lehrers Arnold Schönberg in seinen Werken an. Aber Eisler schreibt auch tonale Musik, u.a. Arbeiter-Chöre, sogenannte "Kampfmusik", " Kampflieder" - allerdings von hoher Qualität - Bühnen-Musik und arbeitet intensiv mit dem Dichter Bertolt Brecht zusammen. Beide verbindet bald eine Freundschaft. Daraus entsteht zum Beispiel die Bühnenmusik zu Brechts proletarischem Schauspiel "Die Mutter". Und Eislers sehr bekannt gewordenes "Solidaritätslied" wird Teil des Spielfilms "Kuhle Wampe", dessen Uraufführung 1932 stattfand.
Exil
1933 flieht Hanns Eisler vor den Nazis aus Deutschland, lebt zeitweilig in Dänemark, arbeitet auch dort mit Bertolt Brecht zusammen. Ab 1935 unterrichtet Eisler in den USA, komponiert neben Liedern und Kammermusik sehr erfolgreich die Soundtracks zu einer Reihe von Hollywoodfilmen.
"Karl Marx der Musik"
Nachdem bereits 1946 eine Kampagne gegen Eisler wegen "unamerikanischer Umtriebe" begonnen hatte, wurde er zunächst am 11. Mai 1947 in Los Angeles und im darauffolgenden September in Washington vor dem "Kongressausschuss zur Untersuchung über unamerikanische Tätigkeit" verhört. Während des Verhörs am 24. September wurde Hanns Eisler vom "Chiefinvestigator" - einem Mr.Stripling - als "Karl Marx des Kommunismus auf dem Gebiet der Musik" bezeichnet und, dass sich Eisler "dessen ganz bewusst" sei. Eislers Reaktion: "I would be flattered" - "Ich wäre geschmeichelt."
Verhaftet
In einer kurz gefassten "Selbstbiographie" schreibt Hanns Eisler im Jahr 1955 über die weiteren Vorgänge: "Meine Frau und ich wurden verhaftet. Eine internationale Protestaktion machte es uns möglich, 1948 Amerika als Deportierte zu verlassen." Prominente Persönlichkeiten wie Thomas Mann, Charlie Chaplin und Pablo Picasso hatten gegen die Behandlung Eislers protestiert. In Eislers Selbstbiographie heißt es weiter: "Ich ging nach Wien und komponierte dort die Musik zu dem Volksstück ‚Höllenangst’ von Nestroy und schrieb Arbeiterlieder. Ich besuchte Berlin, gab Konzerte und hielt Vorträge. 1950 übersiedelte ich nach Berlin." Gemeint ist natürlich Ost-Berlin, "Hauptstadt der DDR".
Nationalhymne der DDR
Auf den Text "Auferstanden aus Ruinen" des Dichters Johannes R. Becher komponierte Hanns Eisler Ende Oktober 1949 (die ab November so bezeichnete) offizielle "Nationalhymne der DDR", deren Uraufführung dann am 7. November des Jahres in der Deutschen Staatsoper in Berlin stattfand. Dafür erhielten Johannes R. Becher und Hanns Eisler 1950 die "Nationalpreis 1. Klasse der DDR".
An der neu gegründeten Hochschule für Musik unterrichtete Hanns Eisler Musiktheorie und ab 1. Oktober 1950 leitete er eine Meisterklasse für Komposition an der Deutschen Akademie der Künste. Für viele seiner Projekte rollte die DDR- Kultur-Bürokratie Hanns Eisler gleichsam den "roten Teppich" aus. Als Komponist und Kulturpolitiker wurde er geradezu omnipräsent. Aus seiner kommunistischen Überzeugung hat Eisler seit den zwanziger Jahren zwar nie einen Hehl gemacht, dennoch war er - nach heutigem Forschungsstand - offenbar nie Mitglied der kommunistischen Partei gewesen. Seine Hoffnung auf "gerechtere gesellschaftliche Zustände" hat Eisler nicht aufgegeben, und er glaubte an die schnelle Verwirklichung der "kommunistischen Utopie".
Österreichische Staatsbürgerschaft
Die hat Hanns Eisler sicherheitshalber behalten, konnte deshalb ins "kapitalistische Ausland" reisen. So zog er sich zum Beispiel im Juli 1953 bis zum Februar 1954 nach Wien zurück: Sein Libretto zur Oper "Johann Faustus" stieß bei der SED-Nomenklatura und in der offiziellen Kulturpolitik auf Ablehnung.
Zitat aus einer Ost-Berliner Zeitung: " Hanns Eisler hat dem deutschen Volk optimistische, volkstümliche, wegweisende Massenlieder mit schöner nationaler Intonation geschenkt. Sie begeistern und entflammen das deutsche Volk und besonders die deutsche Jugend in ihrem Kampf für ein neues Deutschland. Zu diesen Schöpfungen steht der ‚Johann Faustus‘ im Widerspruch. Er ist pessimistisch, volksfremd, ausweglos, antinational. Daher halten wir diesen Text für ungeeignet als Grundlage für eine neue deutsche National-Oper." Aber Eisler verhielt sich weiter loyal gegenüber der DDR-Parteiführung.
Kompositorisch weiter sehr aktiv
Im Laufe der 50-er Jahre schrieb Eisler eine Fülle neuer Werke. Es entstanden weitere Lieder, sinfonische und Kammermusik-Werke, Kantaten, Film- und Bühnen-Musik. Zum 60. Geburtstag erhielt Eisler wiederum einen "Nationalpreis 1. Klasse". 1959 wurde eines seiner Hauptwerke, die "Deutsche Sinfonie", in Berlin uraufgeführt: Sein vielleicht komplexestes Werk zur deutschen Geschichte.
1960 erleidet Hanns Eisler in Wien einen ersten Herzinfarkt: Arbeitsüberlastung, Rauchen und etwas zu viel Alkohol fordern ihren Tribut. 1962 dann der zweite - tödliche - Herzinfarkt. Eisler stirbt am 6. September in den Armen seiner dritten Frau, Stephanie Zucker-Schilling in Berlin. Bei Eislers Begräbnis ist auch DDR-Staats-Chef Walter Ulbricht anwesend und wirft Blumen in Eislers Grab.
Eine Sendung von Thomas Böttger.