Welt der Musik
Sonntag, 17. Dezember 2023, 18:00 bis
19:00 Uhr
Im allerletzten Moment entkam der 15-jährige Menahem Pressler Anfang 1939 dem nationalsozialistischen Terror in Deutschland und erreichte mit seiner Kernfamilie mit dem letzten Schiff von Triest nach Palästina seine neue Heimat. Am 16. Dezember 1923 war er in Magdeburg zur Welt gekommen und hatte dort eine nach eigenen Aussagen glückliche Kindheit verlebt.
Glückspilz
Trotz der dramatischen Umstände und erlebter Diskriminierung, trotz Flucht und Ermordung eines Großteils seiner Familie sprach Pressler von sich stets als "Glückspilz". Auf die Frage nach Erlebnissen in seiner Heimatstadt Magdeburg kam als erstes "Ich hatte einen besonders lieben Klavierlehrer, Herrn Kitzel". Und das Glück, so scheint es, ist Menahem Pressler sein gesamtes, beinahe 100 Jahre währendes Leben über treu geblieben.
Studium in Palästina
Nach ersten Krisenmonaten in der neuen Heimat, in denen Pressler nicht essen konnte, fand er für sich mit dem Klavier einen Ausweg. Üben vertrieb das Trauma. Aus dem hochbegabten jungen Pianisten wurde ein veritabler Musiker, der solistisch wie als Kammermusiker für Furore sorgte. Unter anderem spielte er Klaviertrio mit dem Sohn der früheren israelischen Ministerpräsidentin Golda Meir.
Sensationserfolg in den USA
Im Sommer 1946 nahm Pressler am Debussy Wettbewerb in San Francisco teil und gewann sensationell. Er blieb in den USA, studierte unter anderem bei Bruno Walter und startete eine große Solo-Karriere. Presse und Publikum feierten den jungen Pianisten und alles schien auf eine Solo-Karriere hinauszulaufen. Doch es kam anders.
Ein Leben für das Klaviertrio
Nur, um einige Klaviertrios von Wolfgang Amadeus Mozart aufzunehmen, tat sich Pressler mit dem Geiger Daniel Guilet und dem Cellisten Bernard Greenhouse zusammen. Aus einigen wenigen Schallplattenaufnahmen wurden Jahrzehnte des Zusammenspiels und eine unvergleichliche Kammermusik-Karriere. Die Menschen an Geige und Violoncello wechselten, Menahem Pressler blieb über 53 Jahre Herz und Motor seines Beaux Arts Trios.
Späte Solo-Karriere
Nach der Auflösung des Beaux Arts Trios im Jahr 2008 startete Pressler in eine kaum erwartete zweite Solo-Karriere als Pianist. Er trat mit den größten Orchestern auf, unter anderem mit den Berliner Philharmonikern, spielt Solo-Rezitals in der ganzen Welt und fand immer wieder Kolleginnen und Kollegen, kammermusikalische Spitzen-Ensembles, die sich darum rissen, mit ihm, dem wohl erfahrensten Kammermusiker weltweit, zu musizieren. Er wurde zur umjubelten Legende am Klavier.
Erfolgreicher Professor
Zeitlebens und bis zuletzt unterrichtete Pressler. In Bloomington, Indiana in den USA und in ungezählten Meisterkursen rund um die Welt. Und seit Corona auch immer wieder online. Er prägte Generationen von Pianistinnen und Pianisten. Dass Menahem Pressler auch als Juror in verschiedenen Wettbewerben gefragt war, versteht sich vermutlich von selbst. Menahem Pressler starb am 6. Mai dieses Jahres im Alter von 99 Jahren in London.
Eine Sendung von Ludwig Hartmann