Nachgedacht: Wenn der Wolf die Schafe zur Vegan-Party lädt
Klima, Haushalt, Menschenrechte: In dieser Woche gab es einiges, was die Welt wirklich bewegt - und womöglich eng zusammenhängt. Oder zusammenhängen sollte, findet Lena Bodewein.
Jetzt haben Sie bestimmt gedacht, ich gehe direkt auf die Klimakonferenz und das Wischiwaschi-Dekret zum "Übergang weg von den fossilen Energien" los. Nein, ich möchte erstmal einen anderen hart erkämpften Beschluss feiern: die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Eleanor Roosevelt vor ziemlich genau 75 Jahren verkündet hat. "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren" steht da. Oder: "Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person" oder "Jeder hat das Recht auf eine Staatsangehörigkeit. Niemand darf der Folter unterworfen werden. Sklaverei ist verboten …"
Was früher unerreichbar schien, ist jetzt die Norm
So vieles davon scheint uns selbstverständlich. Ist es aber nicht, nicht gewesen und leider auch in manchen Fällen immer noch nicht. Immer noch gibt es Menschen wie die Rohingya in Myanmar, die keine Staatsangehörigkeit haben, immer noch werden Menschen gefoltert oder wie Leibeigene gehalten. Dennoch: Diese Erklärung gilt für alle Welt. Und etwas, was früher vielleicht einmal unerreichbar schien - Versammlungsfreiheit, Abschaffung der Sklaverei - ist jetzt die Norm.
Und jetzt muss ich doch zum Klima kommen: Es gäbe ja genug zu schreiben und auch sich aufzuregen: Um eine Überhitzung der Welt zu verhindern, lädt ein Land, in dem mit Erdöl sagenhafter Reichtum in die Wüste gesprudelt ist, zu einem großen Treffen ein. Klimagipfel im Ölland, ausgerechnet. Und der Konferenzleiter ist der Chef der staatlichen Erdölförderfirma. Als würde der Wolf die Schafe einladen, weil er mit ihnen beraten will, wie er sich zukünftig vegan ernährt.
Wahl zwischen Ertrinken, Verbrennen und Verhungern
Eine Farce - eigentlich. Und das, was beschlossen wurde, ist vielleicht ein erster Schritt - aber mit diesem Schritt muss unbedingt ein Sprint begonnen werden! Sonst wird das nix, weder mit 1,5-Grad-Ziel noch mit 2 Grad. Denn, und damit sind wir wieder bei den Menschenrechten: Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person. Wenn wir in einer Welt leben, in der Länder überschwemmt werden, Menschen den Flammen der Waldbrände zum Opfer fallen und durch Rauchentwicklung auch noch lange nach den Feuern sterben, wenn ganze Landstriche durch Dürren unfruchtbar werden und die Bevölkerung dem Hungertod geweiht ist, dann hat sich das mit der Sicherheit der Person! Das Recht auf Leben - das hat keine Garantie, wenn die einzige Wahl für die Zukunft zwischen Ertrinken, Verbrennen, Verhungern besteht. Also müssen wir diese formidable Errungenschaft einer Charta der Menschenrechte schützen, indem wir die Bedingungen dafür schaffen, sie einzuhalten. Und alles tun, um die Klimaziele zu erfüllen.
Klimaschutz als unabdingbare Investition
Die Schafe müssen die Macht ergreifen, die Wölfe sollten nicht mehr zu feigenblattartigen Konferenzen über Veganismus einladen. Wenn es darum geht, klimaschützende Maßnahmen zu finanzieren, muss jede Schuldenbremse ausgehebelt werden. Das sind unabdingbare Investitionen! Denn eine Gesellschaft, die durch immer häufigere Extremwetterereignisse erschüttert wird, ist dauerhaft in ihrem Wohlstand gefährdet. Wenn rund um den Erdball Verteilungskämpfe um sicheres Land beginnen, das nicht überschwemmt wird, oder wenn verdorrende Regionen um Wasser streiten, dann wird die Welt in noch größere Unruhe gestürzt als jetzt. Darum muss Klimaschutz die neue Norm sein. Und uns genauso selbstverständlich erscheinen wie die Menschenrechte.