Bundesadler im Plenarsaal des Deutschen Bundestag in Berlin © picture alliance / Flashpic | Jens Krick Foto: Jens Krick
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AUDIO: Nachgedacht: Hass, Hetze und Mordlust - es kann wieder geschehen (4 Min)

Nachgedacht: Hass, Hetze und Mordlust - es kann wieder geschehen

Stand: 11.01.2024 20:01 Uhr

Hoffnungsvolles am Jahresanfang zu denken fällt Alexander Solloch in seiner Kolumne schwer. Für alle, die die Freiheit mögen, ist es ernst, sehr ernst - und hoffentlich noch nicht zu spät.

von Alexander Solloch

Damals, in einem anderen Land vor unvordenklicher Zeit, als die Sonne so wundervoll schien und der Himmel so herrlich blaute, weil blau da noch eine unschuldige und schöne Farbe war, als unter dieser Sonne und unter diesem Himmel im Juli 2006 Hunderttausende von Fußballfans aus aller Welt fröhlich am Brandenburger Tor feierten, soll Franz Beckenbauer von seinem Hotelfenster auf die Szenerie geschaut und gesagt haben: "So hat der liebe Gott sich die Welt vorgestellt."

Wenn man es sich mal kurz erlaubt, über die unguten Geldflüsse, die diesem Sommer vorangegangen waren, hinwegzusehen: dann kann man sich auch als Ungläubiger der Schönheit dieses Gedankens kaum entziehen.

So stellt der liebe Gott sich die Hölle vor

NDR Kultur Literaturredakteur Alexander Solloch vor einer Backsteinwand. © NDR Foto: Manuel Gehrke
Erinnert sich gerne an die Zeit zurück, als der "Himmel so herrlich blaute" - NDR Kultur Literaturredakteur Alexander Solloch.

Aber na gut, das ist lange vorbei. Die traurige Nachricht vom Tod Franz Beckenbauers hat nur kurz daran erinnert, dass es mal schönere Zeiten in Deutschland gab. Heute sehen wir Hass, Hass, überall Hass, Lüge und Hetze. So stellt der liebe Gott sich die Hölle vor.

Die Partei des Hasses steht vor einst unvorstellbaren Erfolgen. Immer noch tritt ihr niemand entschlossen entgegen, weil die demokratischen Schlafwandler sich offenbar nicht vorstellen können, dass das, was schon einmal passiert ist, in seinem Wesenskern erneut passieren kann. Dabei gibt es nichts Logischeres als diesen Merksatz: Was geschehen ist, kann wieder geschehen.

Zufälle gibt's!

Das Recherchezentrum Correctiv hat in dieser Woche ein Geheimtreffen von AfD-Politikern mit anderen Rechtsradikalen Ende November in Potsdam enthüllt. Sie sprachen den Recherchen zufolge darüber, wie man Millionen von Menschen aus Deutschland vertreiben könnte, darunter auch solche mit deutscher Staatsbürgerschaft, Menschen, denen diese Rassisten zunächst das Deutschsein absprechen - und eines Tages vielleicht auch das Lebensrecht?

Mit dabei war u.a. der persönliche Referent Alice Weidels, die natürlich, wie immer, nichts davon gewusst hat. Das alles ereignete sich in wenigen Kilometern Entfernung von der Villa der Wannsee-Konferenz. Zufälle gibt's! Spätestens jetzt muss jeder wissen: Wer die Menschenfeinde wählt, macht sich mitschuldig an allem, was daraus folgen wird.

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Gebäude der Wannsee-Konferenz in Berlin © dpa Foto: Stephanie Pilick

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Was da ans Tageslicht kommt

Alle Informationen liegen auf dem Tisch. Da gibt es z.B. die Recherchegruppe Die Insider oder das von Privatpersonen betriebene Weblog Volksverpetzer: Die ehrenamtlichen Rechercheure analysieren Tag für Tag Online-Foren, in denen sich u.a. auch AfD-Mitglieder und -Sympathisanten, die sich unbeobachtet wähnen, gegenseitig in ihrem Hass befeuern.

Was da ans Tageslicht kommt, übertrifft alles, was man sich an Menschenfeindlichkeit, Mordlust und Gemeinheit überhaupt nur vorstellen möchte: "Wenn morgen der Reichstag brennt, dann bin ich stolz!" "Man hätte Habeck im Meer ersaufen sollen." "Soll doch froh sein, dass er nicht schon am Baum hängt." "Ich wünsche der Regierung alsbald ein fröhliches Baumeln." "Da gibt es doch noch sanierungsbedürftige Gebäude aus der Geschichte, in die man das Pack stecken könnte." "Merkel gehört vor ein Standgericht." "Es wird langsam Zeit, dass wieder ein Österreichischer nach Deutschland kommt." Solches Zeug wird tausend- und abertausendfach geschrieben in Foren mit Namen wie "Wir wählen AfD" oder "AfD für alle".

 

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Blick auf ein Gästehaus in Potsdam, in dem AfD-Politiker nach einem Bericht des Medienhauses Correctiv im November an einem Treffen teilgenommen haben sollen. © dpa-Bildfunk Foto: Jens Kalaene

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Jetzt, und keinen Tag später

Im Grundgesetz steht nichts von einem Recht auf Sonnenschein und blauen Himmel und fröhliche Fußballfans. Wohl aber steht im Grundgesetz (Artikel 21 Absatz 2): "Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig."

"Nie wieder ist jetzt" - das ist eine schöne Losung. Ihre Schwester heißt: "Grundgesetz ist auch jetzt". Jetzt, und keinen Tag später.

Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin / des Autors wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.

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Ulrich Kühn, Claudia Christophersen und Alexander Solloch. © NDR Foto: Christian Spielmann

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Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

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