Islamischer Religionsunterricht an der Marie-Curie-Schule in Ronnenberg © NDR Foto: Svenja Estner
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AUDIO: Wie werden Israel und Holocaust im Schulunterricht behandelt? (5 Min)

Wie werden Israel und Holocaust im Schulunterricht behandelt?

Stand: 26.01.2024 10:07 Uhr

Der aktuelle Krieg in Nahost überschattet in diesem Jahr den Holocaust-Gedenktag. Wie stehen wir in Deutschland zu Israel? An der Marie-Curie-Schule in Ronnenberg bei Hannover werden diese Themen im islamischen Religionsunterricht mit den Schülern diskutiert.

von Svenja Estner

Es ist die letzte Stunde in diesem Halbjahr. Schnell müssen daher noch Plakate fertiggestellt werden. Das Thema: islamische Helden während des Holocaust, die Jüdinnen und Juden geholfen haben - anlässlich des Holocaust-Gedenktags. Die 15-jährige Jasmin hatte vorher noch nie etwas darüber gehört: "Weil das noch keiner thematisiert hat. Ich glaube, es ist so ein bisschen in Vergessenheit geraten."

Abdul ist 15 und vermutet: "Die Muslime hier werden meistens als Extremisten angesehen, wenn man die Religion gut befolgt. Es gibt ja bei uns den Monat Ramadan, und da bin ich mit einem muslimischen Gewand durch die Stadt herumspaziert. Dann habe ich einer alten Oma 'Hallo' gesagt, weil die meinem Freund 'Hallo' gesagt hat. Und die hat dann geantwortet: 'Geh zurück nach Marokko!'" Abduls Familie kommt nicht aus Marokko, sondern aus Pakistan.

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Viele Muslime fühlen sich entfremdet

Der islamische Religionslehrer Osman Kösen kennt diese Geschichten. Er begrüßt, dass durch die vielen Demos gegen rechtsradikale Ansichten auch wieder die Erinnerungskultur an den Holocaust gestärkt wird. Aber eins beunruhigt ihn: "Ich habe eine krasse Entfremdung vieler muslimischer Menschen in Deutschland erlebt. Die haben das als eine Entfremdung wahrgenommen, gerade die mediale Darstellung. Wenn Sie sich erinnern: Das Thema direkt nach dem 7. Oktober war nicht, dass wir ein Antisemitismusproblem gesamtgesellschaftlich haben, sondern der Diskurs war, dass wir jetzt reichlich abschieben müssen."

Laut Kösen hätten sich nach dem Beginn des Nahostkriegs am 7. Oktober viele Muslime, die schon mehrere Generationen hier leben, nicht mehr angenommen gefühlt. Ein guter Freund, der Zahnarzt sei, plane Deutschland zu verlassen: "Wir müssen den Menschen Raum geben, ihr Leid offen zu legen. Zu sagen: Hier ist Raum, damit du uns deine Version, deine Geschichte mitgibst. Ich habe den Eindruck, dass es in den ersten Wochen des Nahostkonflikts auch in Hinblick auf den Holocaust ganz viele Stereotype gab und sich der Antisemitismusdiskurs verändert hat, dass es auf einmal zum Problem eines importierten Antisemitismus durch Musliminnen und Muslime gemacht wurde. Wir wussten alle, dass wir das Problem schon immer hatten."

Wie sollte guter Geschichts- und Religionsunterricht aussehen?

Junus el-Naggar © Junus el-Naggar
Junus el-Naggar findet, dass sich viele muslimische Schüler im öffentlichen Diskurs über den Krieg nicht mitgenommen fühlen.

Junus el-Naggar arbeitet beim CleaRNetworking - das Netzwerk hilft im Umgang mit Radikalisierungen bei Jugendlichen. Er hat mitbekommen, dass sich viele Schüler im öffentlichen Diskurs über den Krieg nicht mitgenommen fühlen: "Das allein ist eine große Gefahr, weil wir aktuell eine Generation mit Migrationshintergrund haben, die gerade dabei war, in Deutschland immer weiter Wurzeln zu schlagen, sich wirklich als Deutsch zu verstehen. Die drohen wir gerade zu verlieren. Deshalb ist es wichtig, ihre Gefühle und ihre Einstellungen ernst zu nehmen."

Das versucht Kösen nicht nur bei der Thematik des Nahostkriegs umzusetzen. In der letzten Klassenarbeit ging es um Muslime, die Juden während des Holocaust gerettet haben: "Interessanterweise, ohne diese Begriffe der Gegennarrative zu nennen, haben viele der Schülerinnen und Schüler gesagt, dass diese Gegennarrative uns helfen, einmal durchzuatmen. Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis. Wir sind Menschen, wir brauchen Hoffnung hier zu leben. Diese Geschichten, wo Menschen tolle Sachen vollbringen, sind viel wichtiger als negative Bezüge."

Laut Kösen muss sich der Geschichts- und Religionsunterricht auch am Wissensstand von Schülerinnen und Schülern mit Migrationsgeschichte ausrichten, denn diese würden die deutsche Erinnerungskultur nicht kennen. Der Islamwissenschaftler Michael Kiefer von der Uni Osnabrück sieht das anders: "Ich bin tatsächlch dagegen, dass wir hier verschiedenen Unterricht für verschiedene Schülergruppen machen. Man muss einfach einen guten Unterricht machen, der verschiedene Perspektiven beinhaltet, der multiperspektivisch ausgerichtet ist - und dann funktioniert das meines Erachtens."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 26.01.2024 | 15:20 Uhr

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