Das Dach einer Moschee. © NDR
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AUDIO: Neue Partei für Muslime: Wofür steht DAVA? (5 Min)

Neue Partei für Muslime: Wofür steht DAVA?

Stand: 12.04.2024 06:00 Uhr

Wenn am 9. Juni die Wähler*innen in Deutschland ihre Stimmen fürs Europaparlament abgeben, dann steht auf den Wahlzetteln erstmals auch eine politische Vereinigung namens DAVA. Wie sind ihre Chancen hierzulande?

von Hans Stallmach

Die Abkürzung DAVA steht für "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch". Die Partei richtet sich vor allem an Musliminnen und Muslime. Gleich nach der Gründung im Januar wurde die DAVA in zahlreichen Medien zum Teil heftig kritisiert; vorgeworfen wurde ihr vor allem eine personelle und inhaltliche Nähe zum deutsch-türkischen Moscheeverband Ditib und zur türkischen Regierungspartei, der AKP. Von "Erdoğans langem Arm in Deutschland" war in verschiedenen Zeitungen die Rede.

DAVA: Bislang eine Wählergemeinschaft

Ein Freitagmittag vor der Yunus-Emre-Moschee in Salzgitter: Zu dem großen Bau im Gewerbegebiet strömen zahlreiche Menschen. Salzgitter hat einen überdurchschnittlich hohen Anteil türkisch-stämmiger Bürgerinnen und Bürger; die Moschee gehört zum Ditib-Verband. Hier kennt man kaum die "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch"; in Puncto Öffentlichkeitsarbeit ist bei DAVA also offenbar noch Luft nach oben. Bislang ist die DAVA eine Wählergemeinschaft - eine Partei mit fester Organisationsstruktur und flächendeckend politischen Vertretern vor Ort ist sie im Frühling 2024 noch nicht.

Aber auch in Salzgitter haben sich Menschen mit türkischen Wurzeln schon mit der DAVA auseinandergesetzt, wie etwa der Betriebswirt Firat Kiziltoprak: "Für mich ist es sehr interessant. Ich finde es schon wichtig, dass die Partei sich auch mit dem Thema Islam beschäftigen wird. Und wenn eine vernünftige Arbeit geleistet wird von den Parteigründern, dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass viel Zuspruch herrschen dürfte, was eine Alternative wäre für die Menschen, die ja eine Partei suchen, die sie wählen können."

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Politikwissenschaftlerin Dastan Jasim im Porträt © Dastan Jasim/Fotoatelier Ebinger

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Welche Ziele verfolgt die DAVA?

Firat Kiziltopraks Freund Dincer Dinc, seit Jahren SPD-Mitglied, sieht das ganz anders. Dass Menschen mit türkischen Wurzeln die Erfahrung gesellschaftlicher Ausgrenzung machen und nach einer politischen Alternative suchen, das könne er schon nachvollziehen: "Auch heute noch werde ich gefragt: Bin ich Deutsch, bin ich Türke? Ich befasse mich trotz meiner 51 Jahre immer noch mit denselben Problemen und Fragen wie meine Eltern, die damals in den 70er-Jahren nach Deutschland gekommen sind. Auch fühle ich mich nicht so wirklich wiedergegeben. Aber das alles verleitet mich nicht, eine Partei wie die DAVA zu wählen - weil sie mir zu Erdogan-lastig ist. Ich habe ja schon die Parteigründer vor Augen, und das sind alles Menschen, die um die Person Erdogan herumtaumeln. Ich glaube, sie versuchen primär mit ihrer Partei hier Lobbyarbeit für die AKP aus der Türkei zu betreiben, und ich glaube, dass ihr die Menschen hier mit ihren Sorgen und Nöten sekundär sind."

Eine Gastronomin mit türkischen Wurzeln, die ihren Namen nicht genannt wissen will, hat sich ebenfalls mit der neuen Partei DAVA beschäftigt - hat aber noch kein klares Bild gewonnen. Natürlich hat auch sie von den Vorwürfen einer zu großen Erdoğan-Nähe gehört: "Für mich wäre das ein Grund, die Partei nicht zu wählen. Inhaltlich - ich habe auch auf der Parteiseite geguckt - bin ich nicht so richtig schlau geworden, was das Ziel ist, was die Inhalte sind, die diese Partei tatsächlich vertritt."

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DAVA-Gründungsmitglied Mustafa Yoldas steht in der Großen Bergstraße in Hamburg-Altona und hält ein türkisches Heißgetränk in der Hand. © NDR Info Foto: Marc-Oliver Rehrmann

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Diskussion um AKP-Nähe der DAVA

Für die Wahlentscheidung spielt die Frage, wie nah die DAVA Erdoğan und der AKP steht, offenbar eine zentrale Rolle. Mustafa Yoldas, einer der drei DAVA-Spitzenkandidaten für die Europawahl, weist den Vorwurf des "verlängerten Armes Erdoğans" entschieden zurück: "Der Vorwurf, dass wir ein Ableger der AKP aus der Türkei seien, ist absurd; wenn Sie sich die Kandidaten ansehen, dann sind da auch Menschen drunter, die keine Sympathie für Erdoğan haben, die keine Türken sind. Natürlich haben wir auch Menschen unter uns, die eine Sympathie für Herrn Erdoğan und für sein Wirken in den letzten 25 Jahren in der Türkei haben; das ist unbestritten, aber das ist auch legitim."

Der Religions-Soziologe Rauf Ceylan von der Universität Osnabrück, der sich intensiv mit islamischen Organisationen sowie Fragen der Integration beschäftigt hat, teilt diese Sichtweise nicht: Die ideologische Nähe der DAVA zur türkischen AKP sei für ihn ganz offensichtlich: "Das ist ja nichts Neues, dass die AKP eigentlich seit den 2000er-Jahren versucht, in Deutschland Lobby-Arbeit zu betreiben. Allerdings ist es auch wichtig festzuhalten, dass die AKP ihre Hochzeiten längst hinter sich gebracht hat - das zeigen die Kommunalwahlen in der Türkei, dass also die Türkei so langsam mit Erdogan brechen möchte. Das wird sich natürlich auch auf die Entwicklung hier, in der Türkei-stämmigen Community auswirken, aber natürlich auch auf die Erfolgsaussichten einer DAVA."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Freitagsforum | 12.04.2024 | 15:20 Uhr

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