Nach Erdbeben: Trauer in niedersächsischen Moscheegemeinden
Das Leid nach der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Nordsyrien ist groß. Auch für Musliminnen und Muslime in Niedersachsen. Denn viele haben Angehörige und Freunde in den betroffenen Regionen.
Vor dem Nachmittagsgebet in Wolfenbüttel sitzen einige Mitglieder der Türkisch-Islamischen Gemeinde, kurz DITIB, auf dem Teppichboden der Moschee. Auch Subagül Köse ist heute im Gemeindezentrum. Ihre Freundin allerdings nicht: Sie fühle sich einfach nicht stark genug. Fast alle Familienmitglieder seien bei dem Erdbeben in Adana und nahe dem Epizentrum in Kahramanmaraş gestorben. Nur drei Angehörige leben noch in Wolfenbüttel. Die Verzweifelung ist groß: "Der Bruder ist in die Türkei geflogen, aber er kommt nicht weiter, weil alles gesperrt ist", erzählt Subagül Köse. "Er kommt nicht bis Adana, weil man dann von Istanbul nochmal einen Flug nehmen und dann nochmal mit dem Auto fahren muss."
Im Tagesraum der Moscheegemeinde schauen viele auf den Fernseher und versuchen gleichzeitig per Handy den Kontakt zu Angehörigen in den Erdbebengebieten zu halten: "Man ist andauernd mit den Gedanken dort und versucht, jede Neuigkeit zu erhören, zu erfragen, zu ersehen im Fernsehen, in den Nachrichten, in den Zeitungen. Man ist glücklich über jede gerettete Person", sagt Mustafa User, stellvertretender Vorsitzender der DITIB Gemeinde in Wolfenbüttel.
Viele Menschen helfen mit Geld- und Sachspenden
Verwandte von Ali Serkan Sahbaz, dem Vorsitzenden der DITIB-Gemeinde in Göttingen, wohnen im Katastrophengebiet. Momentan würden die die eisigen Nächte in ihren Autos verbringen. Die große Hilfsbereitschaft überwältige ihn: "Einige sind auch schon in die Türkei gefahren, um vor Ort zu helfen. Viele Leute aus unserer Gemeinde, auf Vereinsebene, auf privater Seite oder auch als Unternehmer, haben die Initiative ergriffen und versuchen mit allen Mitteln zu helfen. Es werden Geldspenden gesammelt, aber auch Sachspenden und so wird versucht, sich gegenseitig aufzubauen."
Auch die SCHURA, der Landesverband der Muslime in Niedersachsen, ruft momentan mit anderen islamischen Organisationen zu Geldspenden auf, angesichts der andauernden Katastrophe. Das Spenden helfe das Ohnmachtsgefühl zu bekämpfen, sagt der Imam Sadiq Al-Mousllie von der Islamischen Gemeinschaft Braunschweig. Viele seiner Gemeindemitglieder haben Angehörige in Nordsyrien: "Gerade in solchen Momenten, wo man nicht weiß, wie man damit umgeht, braucht man natürlich auch Seelsorger", so Al-Mousllie. "Wir sind in der Moschee auch in dieser Funktion unterwegs, wir sprechen mit den Leuten. Die kommen zu uns nicht nur mit diesen Sorgen - wie fühle ich mich und wie gehe ich damit um -, sondern sie kommen auch zu uns und sagen: Was kann ich denn tun?"
Die syrischen Musliminnen und Muslime vergessen ihre Freunde und Verwandten in Nordsyrien nicht. Sie sammeln vor allem Geldspenden für vor Ort tätige Organisationen. Mit Sachspenden sei das schwieriger. Es gebe nur einen Grenzübergang und der wurde beim Erdbeben auch noch beschädigt, sagt Al-Mousllie. Hinzu komme die schwierige politische Lage. Der Bürgerkrieg in Syrien verschärfe die Lage zusätzlich: "Insbesondere im Norden Syriens ist die Infrastruktur ohnehin miserabel gewesen. Jetzt kam das Erdbeben und das Leben wurde noch schwerer. Und die Kommunikationslage ist auch nicht so gut: Wir kriegen nicht mal alle Informationen, die wir brauchen, um zu helfen."
Gebete für Betroffene: "Das erleichtert die Seele"
In Gebeten gedenken die Gläubigen in den niedersächsischen Moscheegemeinden der Verstorbenen. Denn oft würden sie nun tausende Kilometer weit weg bestattet, ohne dass alle Familienmitglieder dabei sein können. So geht es auch der Freundin von Subagül Köse in Wolfenbüttel. Deswegen besuche Köse ihre Freundin nun häufig - und bete für sie: "Wenn man betet, betet man auch für die Betroffenen. Das erleichtert die Seele. Das ist gut."