Ahmadiyya-Moschee in Berlin © picture alliance / Schoening

Wie aus dem Bilderbuch: Deutschlands älteste Moschee

Stand: 17.01.2025 06:00 Uhr

Die älteste noch bestehende Moschee Deutschlands steht in Berlin, mitten in einem gutbürgerlichen Wohnviertel. Seit ihrer Gründung vor 100 Jahren war sie Heimat einer erstaunlich vielfältigen Gemeinde.

von Kirsten Dietrich

Der Gebetsruf von Imam Amir Aziz erfüllt den Raum unter der hohen Kuppel. Sie erhebt sich über einem quadratischen Saal, der in warmen Gelb- und Orangetönen leuchtet. Die Wände zieren geschwungene Bögen in Weiß. Architekt Karl August Hermann nahm das indische Taj Mahal zum Vorbild und ließ sich für die Kuppel zusätzlich von der spanischen Alhambra inspirieren. Entstanden ist so in den Jahren nach der Grundsteinlegung 1924 ein echtes Schmuckstück: die Ahmadiyya-Moschee in Berlin-Wilmersdorf.

Multikulturell - auch schon in den 1920er-Jahren

"Die Moschee ist wichtig für uns: Unter unseren Vorfahren spielten besonders die Frauen eine große Rolle. Man erzählt, dass sie sogar ihren Schmuck verkauft haben, um durch Spenden den Bau zu ermöglichen", sagt Imam Amir Aziz. Damals wie heute gehört die Moschee zur gleichen muslimischen Gemeinschaft: den Lahore Ahmadiyya. "Heute ist das eine wirklich multikulturelle Moschee, mehr als andere. Freitags sitzt hier die ganze Welt, Menschen aus Afrika, arabischen Ländern, Indien, von überall her", so Aziz.

Multikulturell war die Moschee schon in ihrer Entstehungszeit: in den 1920er-Jahren. Berlin war zum Zentrum geworden für muslimische Wissenschaftler, für Migrant*innen aus Indien, Ägypten, Nordafrika, auch für indische Aktivisten gegen die Kolonialherrschaft, die in Deutschland Verbündete suchten gegen die Briten - die Gemeinde der Lahore Ahmadiyya knüpfte daran an, denn zu ihrem Verständnis des Islams gehörte schon immer auch die Mission.

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Annika Waraich (links), Nabila Ahmed (Mitte) und Aisha Daud von der Lajna Imaillah in Hannover © NDR / Brigitte Lehnhoff Foto: Brigitte Lehnhoff

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Ausstellung erzählt die Moschee-Geschichte

"Der Islam, in der Zeit wie er von der Ahmadiyya gelebt wurde, galt als Vorbild, als fortschrittlich, etwas, was im aktuellen Islamdiskurs in Deutschland und auch in den letzten Jahrzehnten wenig vorstellbar ist. Aber so war das damals", sagt Aischa Ahmed. Die Historikerin hat gemeinsam mit ihrem Kollegen Ole Laursen die Geschichte der Moschee dokumentiert und das Gemeindearchiv ausgewertet. Eine Ausstellung im Museum Charlottenburg-Wilmersdorf erzählt die Geschichte der Moschee und ihrer Gläubigen. Die von Khwaja Abdul Hamied zum Beispiel: "Er war befreundet mit vielen radikalen Revolutionären, die das britische Empire stürzen wollten, aber er war auch Mitglied der indischen muslimischen Gemeinschaft", erzählt Laursen. "Er traf 1925 eine polnische Kommunistin - sodass er auch kommunistisch wurde. Die beiden heirateten schließlich, auch wenn die Familien dagegen durchaus protestierten."

Die Hochzeitsfotos zeigen - natürlich - die Wilmersdorfer Moschee. Die Gemeinde war aktiv, nach außen gerichtet, gab Zeitschriften heraus. Das wirkte anziehend: Zur Moscheegemeinde gehörten viele Gläubige, die als Erwachsene zum Islam konvertiert waren, sagt Aischa Ahmed: "Auffällig ist auf jeden Fall für die Zeit, dass sehr viele jüdische Menschen auch konvertiert sind. Das muss man für die einzelnen Jahre noch mal ein bisschen differenziert betrachten. Ab 1933 mag es auch der Versuch gewesen sein, sich zu schützen. Es gab auch einen großen Anteil von Menschen aus der Lebensreformbewegung oder eher aus seiner atheistischen Richtung - es sind sehr verschiedene Leute, die sich da finden."

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"Die Moschee bildet eine Brücke zwischen den Gemeinschaften"

Der Nationalsozialismus war ein starker Einschnitt im blühenden Gemeindeleben. Einerseits half die Gemeinde zum Beispiel dem konvertierten Juden Hugo Marcus zur Flucht in die Schweiz, andererseits gehörten zur Gemeinde auch einige SS- und Gestapo-Mitglieder.

Die Moschee selbst wurde im Krieg beschädigt, vor allem die beiden freistehenden Minarette. Heute sind diese Schäden längst repariert. Und auch wenn die Moschee manchmal für Gläubige nicht wirklich praktisch ist - so gab es lange keinen Waschraum für die notwendigen Waschungen vor dem Gebet -, ist Imam Amir Aziz froh, Gebete in einem so repräsentativen Gebäude leiten zu können: "Eigentlich ist das Gebet im Islam nicht an irgendeinen besonderen Ort gebunden. Die Moschee ist eher ein symbolischer Ort und vor allem als Zentrum der Gemeinde wichtig, um andere zu treffen. Aber natürlich ist es besser, eine schöne Moschee zu haben - sie bildet eine Brücke zwischen den verschiedenen Gemeinschaften."

So finden in der Moschee häufig interreligiöse Dialoge statt, Kirchengemeinden und Schulklassen kommen gerne zu Besuch. Und Imam Amir Aziz ist auch in der muslimischen Community gut vernetzt und Mitglied im Rat Berliner Imame.

"Offenes Haus. Eine hundertjährige Moschee in Berlin" - so heißt die Ausstellung zur Moschee. Sie ist in der Berliner Villa Oppenheim noch bis zum 23. März 2025 zu sehen. Die Moschee selbst öffnet regelmäßig für Besucher*innen.

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NDR Kultur | Freitagsforum | 17.01.2025 | 15:20 Uhr

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