Idriss Azougaye © NDR
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AUDIO: Islamische Kalligrafie: Mehr als Kunst des schönen Schreibens (5 Min)

Islamische Kalligrafie: Mehr als Kunst des schönen Schreibens

Stand: 21.06.2024 06:00 Uhr

Der in Hamburg lebende muslimische Künstler Idriss Azougaye ist ein Meister auf dem Gebiet der islamischen Kalligrafie. Um die Kunstform weiter zu vermitteln, bietet der Deutsch-Marokkaner regelmäßig Workshops an.

von Bita Schafi-Neya

Die Kalligrafie ist eine der bekanntesten Kunstformen in der islamischen Welt. Ihre Geschichte reicht bis in die Anfänge des Islam im siebten Jahrhundert zurück. Im Laufe der Zeit entwickelten sich verschiedene Stile und Schriftarten. Heute wird die Kunstrichtung mit teils religiöser Bedeutung auch in Deutschland praktiziert.

Die arabische Schönschreibkunst

Papier, Stifte und Tinte liegen auf einem Schreibtisch bereit. Rundherum stehen acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie alle schauen gebannt auf die Finger von Idriss Azougaye. Der Künstler hält ein dünnes Bambusrohr in seiner rechten Hand. Zunächst müssen die Rohre geschnitzt werden, damit daraus eine Schreibfeder entsteht: "Man nimmt eine Fingerbreite, also eine Daumenlänge. Ungefähr hier fängt man an zu schnitzen. Man fängt von oben an und arbeitet sich dann langsam auf die Gegenseite. Und jetzt hat man hier eine messerscharfe Kante, die kann man nochmal ein bisschen nachjustieren, je nachdem, wie man arbeiten möchte. Und damit könnt ihr jetzt arbeiten." Der Kalligrafie-Meister erklärt so die ersten Schritte dieser arabischen Schönschreibkunst.

Teilnehmerin Rabia ist zum muslimischen Glauben konvertiert. Schon seit ihrer Kindheit ist sie mit dieser Kunstform verbunden: "Ich komme aus einer recht künstlerischen Familie und mein Opa hat auch Kalligrafie gemacht, zwar nicht mit arabischer, aber mit deutscher Schrift oder lateinischer. Deswegen habe ich auch einen persönlichen Bezug zur Kalligrafie. Ich bin dabei, es auch auf Arabisch zu lernen, weil ich es auch als eine religiöse Sache sehe, die für mich persönlich von Bedeutung ist, auch mit dem Koran. Die Ästhetik dahinter fasziniert mich sehr."

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Kalligrafie: eine hochmeditative Arbeit

Bis man die Kunst der Kalligrafie beherrscht, dauert es eine lange Zeit. Besonders für den Buchstaben Alif - der erste von insgesamt 28 - werden mindestens drei Jahre benötigt. Es ist eine hochmeditative Arbeit, die Ruhe und Konzentration verlangt. Teilnehmerin Kerstin ist anfangs noch etwas unsicher: "Ich weiß noch gar nicht, wieviel Neigung, wieviel Druck benötigt wird. Es ist alles total fremd mit diesem Bambusstift - das kennt man ja sonst überhaupt nicht. Und wie verteile ich die Tinte? Am Anfang habe ich zu viel, am Ende habe ich zu wenig. Ich kann schon verstehen, dass man das ein paar Jahre lang lernen muss, bevor man das dann echt kann."

Durch Instagram ist die 62-Jährige auf den Workshop aufmerksam geworden. Schon immer konnte sie sich für die wunderschöne Schrift - wie sie selbst sagt - begeistern: "Ich habe schon oft in Moscheen Bilder gesehen mit arabischer oder islamsicher Kalligrafie und habe immer gestaunt. Und dann dachte ich: Das kenne ich noch nicht praktisch. Wie macht man so was überhaupt?"

Nicht nur künstlerische, sondern auch religiöse Bedeutung

Die arabische Kalligrafie als Kunstform hat neben dem künstlerischen Anspruch auch eine religiöse Bedeutung. Zunächst wurde sie verwendet, um den Koran niederzuschreiben, erklärt Azougaye. Heutzutage wenden Künstlerinnen und Künstler die Kalligrafie immer mehr in anderen Bereichen an. So benutzt Idriss Azougaye die Schriftform, um ästhetisch schöne Kunstwerke zu schaffen: "Gesellschaftliche Themen, religiöse, vielleicht auch politische - das sind alles Themen, die man mit Kunst aufgreift. Da gibt es verschiedene Kunstformen, Kunstarten und in dem Fall ist es eben die arabische Kalligrafie. Meine eigene spezielle Kunst sind Kalligramme - das sind Objekte, die aus Schrift entstehen. Und da die arabische Schrift eine sehr biegsame Schreibschrift ist, kann man sehr viel umsetzen."

Bekannt ist der 41-Jährige mit seinen Bildern nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland. Auch in vielen islamischen Ländern. In verschiedenen deutschen Moscheen verziert er die Wände: "Diese beiden Kunstformen zu vereinen in einem Produkt, in einem Gemälde oder in einem Konstrukt, ist für mich eine Brücke, um über gewisse Sachen zu diskutieren und auch vielleicht die ein oder andere Kunstform für die jeweiligen Kulturen zu öffnen. Ich selber bin halb deutsch, halb marokkanisch, meine Mutter ist Deutsche, mein Vater ist Marokkaner, und da kommt auch die Brücke wieder zum Vorschein. Alle meine Bilder repräsentieren auch das, was ich verkörpre."

Azougaye fügt hinzu, dass gläubige Muslime die Kalligrafie nicht nur als Kunst des schönen Schreibens betrachten. Sie ist ein Teil ihres täglichen Lebens. Nicht nur beim Beten in der Moschee oder beim Lesen im Koran.

Dieses Thema im Programm:

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