Die Autorin Helga Bürster schaut in die Kamera. © NDR Foto: Lina Bande

Neues niederdeutsches Hörspiel mit historischem Hintergrund

Stand: 26.02.2023 11:04 Uhr

Seit fast 50 Jahren produzieren der NDR und Radio Bremen gemeinsam das Niederdeutsche Hörspiel. Zu den rund 1.200 Produktionen im Bestand kommen regelmäßig neue Hörspiele dazu, so wie jetzt "De Kawentsmann".

von Lina Bande

Darin geht es um Hinnerk Ehlers, der von allen nur "Kawentsmann" genannt wird, denn er ist über zwei Meter groß und kräftig. Nachdem er aus Versehen den Hof seiner Eltern abfackelt, schmeißen die ihn raus und Hinnerk zieht in einen halb verfallenen Schafkoven am Waldrand. Von da an schlägt er sich so durch, belustigt Touristen und geht - ohne Erlaubnis, aber mit Unterstützung der Bauern - auf Jagd.

Inspiration von einer regional bekannten Geschichte

Ein nostalgisches Foto zeigt einen Mann in zerschlissener Kleidung mit einer Flinte in der Hand. © Orts- und Heimatverein Ganderkesee
Das historische Foto aus dem Jahr 1900 zeigt den Wilddieb "Hasen-Ahlers".

Für ihr Hörspiel hat sich Autorin Helga Bürster aus Dötlingen im Landkreis Oldenburg von einer wahren Geschichte inspirieren lassen: nämlich der von "Hasen-Ahlers", dem legendären Wilddieb aus dem Stühe, der rund um das Jahr 1900 lebte. "Dat is ene Geschicht, de kennt hier jeder. Dat gung ok de ganze Tiet in mien Kopp rum, dor mutt ik mol wat över maken", erzählt sie.

Der Rahmen ist im Original genau wie der im Hörspiel: Auch der echte Hinnerk flog vom Hof, wurde kein Bauer und schlug sich stattdessen als Wilddieb und Touristenattraktion so durch. Unzählige Anekdoten von Hasen-Ahlers sind bis heute in der Gegend bekannt. Für Helga Bürster war allerdings ein Punkt besonders interessant: "Dat sind jümmers so de Lüüd, de an'n Rand staht, de interesseert mi an'n meisten. Un he weer jo nu so'n Randsteher, he weer jo nich so bin in'e Gesellschaft."

Autorin lässt Fantasie mit reinspielen

Weil nicht alle Einzelheiten seiner Biografie bekannt sind, dachte sich die Autorin fürs Hörspiel ein bisschen was dazu. "Ik hebb dor een beten Märken mit rinschreeven", sagt Helga Bürster lächelnd. So ist ihr Hinnerk fasziniert vom Zirkus - und trägt auch einen leicht abgeänderten Namen, denn es sei eben nicht "hunnertprozentig siene Levensgeschicht".

Eine nostalgische Postkarte zeigt einen Mann mit einer Flinte vor einem alten Stall. © Orts- und Heimatverein Ganderkesee
Sogar Postkarten wurden von dem Aussiedler gedruckt - hier mit dem typischen Bild vor seinem Schafkoven, in dem er lebte.

Was allerdings gleich geblieben ist: Hinnerk ist eine Attraktion für Menschen aus der ganzen Region. Als das naheliegende Dorf Immer Anfang des 20. Jahrhunderts an die Bahnstrecke angebunden wurde, kamen die Touristen in Scharen, aus Bremen, Delmenhorst, Wildeshausen. Sie alle wollten durch den Wald spazieren und Hasen-Ahlers besuchen.

Geschichten eines cleveren Lebenskünstlers

Gerold Schnier ist Naturparkführer in der Wildeshauser Geest, kennt sich mit den Sagen, Legenden und Geschichten von dort aus:

"He toog sik denn ok noch besünners oolt an, mit sien Zeegenbock keem he denn an'e Bahn ran, nehm de Lüüd in'n Empfang. Denn fraagten em de Lüüd - Mensch, wenn du mit de Zeegenbock in een Ruum wahnen deist, in dien Schaapskoven, stinkt dat denn nich? - Jo, seggte Hasen-Ahlers, dor mutt de Zeeg mit klaar kamen".

Mit Geschichten wie diesen verdiente der Wilddieb sein Geld. Was das wiederum mit ihm machte, das greift Helga Bürster im Hörspiel auf: "Dat sind so twee Sieden, op de eene hett he sik so wat dorto verdeent, wiel he weer jo bettelarm! Man wi weer dat denn för so een Minschen, wenn he sik so to'n Affen maaken mutt, üm wat to Eeten to verdeenen?"

In echt und im Hörspiel ein großer, kräftiger Kerl

Historische Schuhleisten aus Holz liegen nebeneinander, eine sehr große und eine kleine © NDR
Links die Schuhleisten von Hasen-Ahlers in Größe 53.

Heute erinnert unter anderem noch ein Denkmal an Hasen-Ahlers und in der Ganderkeseer Heimatstube sind seine echten Schuhleisten in Größe 53 ausgestellt. Diese mächtige Statur gibt dem Hörspiel auch seinen Titel: "Dat gifft jo so Wöör, de hebbt so wat. Un 'Kawentsmann', dat seggt jo al alleen veel över de Klang", erklärt Helga Bürster ihre Wahl.

Gesprochen wird der Kawentsmann im Hörspiel allerdings von Rolf Petersen - und damit eher vom Gegenteil: er ist 1,65 Meter groß. Der Schauspieler versucht aber, darüber beim Sprechen nicht nachzudenken: "Wo schnackt denn so een, wo deep is de Stimm vun een Mann, de 2,03 Meter is? Dat sünd allens gor nich de Fragen. Wi wüllt hier dat Leven vun düssen Kawentsmann wiesen."

Der Hörspielsprecher Rolf Petersen steht im Studio vor einem Mikrofon. © NDR
AUDIO: Bi de Produktion vun't Hörspeel "De Kawentsmann" (3 Min)

Über hundert Jahre alte Geschichte bleibt am Leben

Das ist ihm auf jeden Fall gelungen, denn Helga Bürster hatte zwar beim Schreiben noch keine Stimme für ihren Protagonisten im Kopf, ist mit dem Ergebnis aber mehr als zufrieden: "Rolf Petersen maakt dat wunnerbor! De is dor so'n beten naiv un so nett un so'n beten so'n Philosoph, dat hett mi wunnerbor gefullen."

Und auch, wenn das Hörspiel nicht genau die Lebensgeschichte von Hasen-Ahlers aus dem Stühe erzählt, so bleibt die Erzählung über den legendären Aussteiger und Wilddieb durch "De Kawentsmann" doch ein Stück weit lebendig.

Hörspiel erscheint Anfang März

Das Hörspiel können Sie ab dem 3. März in der ARD Audiothek und auf den NDR-Radiowellen hören.

Sendetermine

- Freitag, 3. März, 19.05 Uhr, NDR Schlager
- Freitag, 3. März, 21.05 Uhr, NDR 1 Welle Nord
- Sonntag, 5. März, 20.05 Uhr, NDR 1 Radio MV
- Montag, 6. März, 19.05 Uhr, NDR 1 Niedersachsen
- Mittwoch, 8. März, 21.05 Uhr, NDR 90,3

Dieses Thema im Programm:

De Noorden op Platt | 26.02.2023 | 11:30 Uhr

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