Nachruf: Ulf-Thomas Lesle verstorben
Jahrzehntelang prägte Ulf-Thomas Lesle das Plattdeutsche: ob als Geschäftsführer des Instituts für niederdeutsche Sprache (INS) in Bremen oder als Dramaturg am Ohnsorg-Theater. Er wurde 75 Jahre alt.
16 Jahre lang war Dr. Ulf-Thomas Lesle einer der Geschäftsführer des INS - und trotzdem sah er Sprachpolitik immer kritisch. So mahnte er an, immer ganz genau im Blick zu haben, was mit dem Plattdeutschen und drumherum so passiere - vor allem dann, wenn gesagt wurde, dass auf Platt doch alles gehe:
"Geiht dat allens? Wat geiht dorbi verlustig, wenn man seggt, dat geiht allens? Dor mutt een nipp un nau henkieken. Un disse Blick, in de Euphorie villicht ok - Plattdüütsch is en Scholfack, Platt in'n Kinnergorn un so wieter - so good dat is, Plattdüütsch hett ok jümmers wat mit Familienspraak, mit Nahspraak, mit Nische to doon. Laat uns de Nische nich verachten, segg ik dorto."
Lesle warnte davor, dass die Kluft zwischen denen, die Plattdeutsch auch im politischen Bereich vorantreiben möchten, und denen, die die Sprache einfach nur sprechen möchten, immer größer werden würde.
Er hat Theater studiert und gelebt
Geboren und aufgewachsen ist Ulf-Thomas Lesle hinterm Deich in Cuxhaven. Er studierte Germanistik, Geschichte, Volkskunde und Theaterwissenschaften in Hamburg, promovierte dort 1986 auch. Der Titel seiner Doktorarbeit: "Das niederdeutsche Theater. Von 'völkischer Not' zum Literaturtrost". Darin beschäftigte er sich intensiv mit den völkisch-ideologischen Hintergründen der niederdeutschen Theaterbewegung - und auch mit der Geschichte des Hamburger Ohnsorg-Theaters.
Von 1981 bis 1987 war er selbst dort Dramaturg, Konrad Hansen war zu der Zeit der Intendant. In seiner Zeit am Theater übersetzte Lesle Stücke von Ludvig Holberg, Hendrik Ibsen oder Fitzgerald Kusz ins Plattdeutsche und setzte damit auch neue Akzente fürs niederdeutsche Theater.
Den Zeitgeist hatte er immer im Blick
Als Geschäftsführer des niederdeutschen Instituts in Bremen saß Ulf-Thomas Lesle auch in der Jury für den niederdeutschen Literaturpreis der Stadt Kappeln. In dieser Funktion setzte er sich beispielsweise dafür ein, dass der Preis im Jahr 2010 an Peter-Heinrich Brix und Jan Fedder ging:
"Dat sünd twee Schauspelers, de so snackt as elk un een, as Jan un Allemann üm de Eck, mal hoch, mal so'n lütt beten platt - so as de Lüüd vundagen snackt. Se wiest, wat in so mennigeen Kopp togangen is, Plattdüütsch ganz groot und Plattdüütsch 'ne egene Welt - dat is nich so. Sprache verändert sich, Plattdeutsch verändert sich - un een Jury, de mutt'’n scharp Oog hebben und sowat ok wies warrn."
Die Sprache norddeutscher Familien
Ulf-Thomas Lesle hat immer vor der Idealisierung des Plattdeutschen gewarnt, vor der Politisierung von Sprache. Plattdeutsch war für ihn die Sprache Norddeutschlands, vor allem auch Familiensprache, ein deutscher Dialekt - und auf gar keinen Fall Ausdruck eines bestimmten Typ von Mensch.
Friedrichstadt in Nordfriesland war in den letzten Jahren seine Wahlheimat - und dort starb er am 8. Februar 2023 im Alter von 75 Jahren.