Bernadette La Hengst bei einem Auftritt auf der Unteilbar Demo in Berlin am 13.10.2018. © IMAGO / POP-EYE

"Visionäre Leere": Neues Album von Bernadette La Hengst

Stand: 10.11.2023 10:30 Uhr

Vier Jahre sind seit dem letzten Album von Bernadette La Hengst vergangen: Corona, verschärfte Klima-Katastrophe, Inflation, Kriege - die Musikerin versucht mit ihrer Musik diesen Konflikten etwas entgegenzusetzen.

von Alexandra Friedrich

Den Kopf in den Sand stecken kommt für die einstige Frontfrau von "Die Braut haut ins Auge" nicht in Frage: "Ich bin grundsätzlich immer eher dafür, die Vielfalt zu feiern, als den Mangel zu beklagen", sagt sie. Insofern bleibe sie optimistisch. "Aber ich lebe ja auch schon 55 Jahre. Und habe schon ganz viele weltpolitische Konflikte erlebt. Da sehe ich auch meinen Albumtitel ganz gut platziert - die visionäre Leere."

Im Titelstück "Visionäre Leere" besingt Bernadette La Hengst "Lubycza", also die Lausitz. Die Künstlerin hat in der Region Kohle-Abbaugebiete besucht. Eine erschütternde und gleichzeitig inspirierende Reise: "Das ist der Ort, an dem man am besten oder am schlimmsten sehen kann, was die Menschheit der Erde angetan hat. Das ist wie so eine offene Wunde." Hunderte von sorbischen Dörfern seien dort abgebaggert worden und würden auch weiter für die Kohleförderung abgebaggert werden. "Deswegen ist der Song eine Art zärtliches Liebeslied an diese missbrauchten Landschaften."

Bernadette La Hengst will Welt abbilden und mit Kosmos verbinden

Für ihre Arbeit verlässt Bernadette La Hengst immer wieder ihre Komfortzone: "Mich interessiert einfach auch über den eigenen Tellerrand zu schauen, weil ich die Welt auch sonst nicht abbilden kann." Und das will sie. Die Welt abbilden und mit ihrem persönlichen Kosmos verbinden. Auch der hat sich in den letzten Jahren stark verändert.

Auf dem letzten Album machte sich Bernadette La Hengst noch auf die Suche nach der eigenen Mutter - im Song "Mutterland". Heute beleuchtet sie ihre eigene, sich wandelnde Mutterrolle in "Mama-Blues". La Hengsts Tochter Ella Mae ist 19, das Abi ist geschafft und die Welt steht ihr offen. Was wird aus ihr?, fragt sich La Hengst. Aber auch: Was wird aus mir? Eine persönliche Zeitenwende, die mit Ängsten und Unsicherheiten verbunden ist, aber auch mit wachsender Freiheit. "Ich muss nie mehr um halb sieben aufstehen, ist mir heute wieder aufgefallen. Ich habe ja ein Lied darüber geschrieben, nie mehr vor Mittag aufzustehen. Da holt sich die Geschichte jetzt quasi das zurück, was ich mir vor 30 Jahren mal selbst versprochen habe."

Tochter singt auf Album "Visionäre Leere" mit

Cover des Albums "Visionäre Leere" von Bernadette La Hengst © Trikont
"Visionäre Leere" von Bernadette La Hengst ist beim Label Trikont erschienen und kostet 16,99 Euro.

Bernadette La Hengsts Tochter wird nicht nur besungen, sondern ist auch selbst in einem Song zu hören. "Gib mir meine Zukunft zurück." Ella Mae als Stimme einer kritischen, jungen Generation. "Da wird gerade alles in Frage gestellt und das ist auch richtig so. Also von der Frage, wie viele People of Color ich tatsächlich in meinem Freundeskreis habe oder natürlich die Gender-Debatte und Nonbinärität, Transmenschen und so weiter. Das ist groß auf ihrer Agenda, und das diskutiert sie mit mir", erzählt sie.

Bernadette La Hengst gilt für viele als Vorkämpferin in der weiblichen Popmusik. Aber Role Model, Vorbild sein - das ist für sie keine Einbahnstraße. Sie schaut nicht nur auf die Generation ihrer Tochter. Ihr ist es auch wichtig, ihre eigenen Wegbereiterinnen zu würdigen.

La Hengst singt für Frauen und das Klima

So ist etwa "Allée de la Liberté" eine Hommage an all die Pionierinnen der Musikgeschichte. Eine Reihe, in der sich La Hengst selbst auch irgendwie sieht, "weil die mir den Weg geebnet haben. Ich bin auch eine, die gerne netzwerkt. Ich bin immer dafür, dass man sich gegenseitig unterstützt und fördert."

Solidarität, Empathie, Menschlichkeit. Bernadette La Hengst singt für Frauen und das Klima, gegen Menschenhass und Neoliberalismus. Ihre musikalische Gesellschaftskritik kommt dabei nicht mit bleischweren Melodien daher. Ihre poetischen, mehrbödigen und nicht selten humorvollen Zeilen werden getragen von fröhlichem Gitarren- oder beschwingtem Elektropop. Es gibt Abstecher in die Klavierballade, den Rock'n'Roll und den Rap. Fast alle Songs sind in den letzten Jahren entstanden. Nur einer hat fast 30 Jahre auf dem Buckel - und dennoch die wohl größte Aktualität. Sein Titel: "Was nehm' ich mit, wenn es Krieg gibt?".

 

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"Visionäre Leere"

Genre:
Pop
Label:
Trikont
Veröffentlichungsdatum:
10.11.2023

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 11.11.2023 | 15:20 Uhr

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