John Cales neues Album "POPtical Illusion": Stets der Zeit voraus
Heute erscheint das neue Album "POPtical Illusion" von John Cale. Es zeigt einen Künstler, der auch mit 82 Jahren noch Freude am Experiment verspürt und sich der Zukunft zuwendet, anstatt in der Vergangenheit zu schwelgen.
Seit 60 Jahren ist John Cale so etwas wie der kreative Motor der Pop-Avantgarde. Sein minimalistischer Ansatz und seine monotone Bratsche bei der legendären Band Velvet Underground waren der Sound der Andy-Warhol-Factory. Als Produzent von Patti Smith und den Stooges hat er Punk antizipiert und als Solo-Künstler sowohl den Umgang mit Elektronik im Pop mitgeprägt als auch die Grenzen zwischen Neuer Musik und Rock aufgehoben.
Erinnerungen an Velvet Underground trügen
Auch wenn der monotone Beat und der durchgehende Drone an Velvet Underground erinnern, darf man sich nicht täuschen lassen: John Cale schwelgt nicht in der Vergangenheit, seine Expertise in Sachen Sounds ist auf der Höhe der Zeit, wie man hier an den unterschiedlichen Effekten auf den Chorstimmen hören kann, die er allesamt selbst gesungen hat.
John Cale verschanzte sich für das Album in seinem Studio in Los Angeles und nahm das Ganze im Alleingang auf. Lediglich seine langjährige künstlerische Weggefährtin Nita Scott hat ihn bei der Produktion unterstützt. In Zeiten der Pandemie empfand er wie viele eine große Verunsicherung, die er künstlerisch verarbeiten wollte. Über 80 Songs sind in der Zeit entstanden: "Der größte Teil des Schreibens fand während des Lockdowns statt, ich habe in kurzer Zeit eine Menge Songs geschrieben, viele davon lagen als Fragmente herum", berichtet Cale. "Manche habe ich zu Ende gebracht, anderes liegt immer noch unangetastet da und könnte ein weiteres Album oder was auch immer füllen."
"I'm Angry": Song über zerrüttete Freundschaft
Zu einer einsamen Orgel und einem atmosphärischen Dröhnen in der Ferne singt John Cale in "I'm Angry" über eine zerrüttete Freundschaft und gesteht seine eigenen Fehler ein. Nicht unbedingt vermuten würde man, dass John Cale ein großer Hip-Hop-Fan ist. J Dilla oder Tyler, the Creator waren für ihn in der jüngeren Vergangenheit wichtige Inspirationsquellen. "Ein Teil dessen, was ich vom Hip Hop gelernt habe, ist, wie nützlich Fehler sein können. Man kann falsch singen, oder man hat eine Melodie, die unschön und unausgegoren klingt, und erzeugt eben gerade dadurch eine Art Aggression mit den einfachsten Mitteln."
Wut und Agression kommen an manchen Stellen zwar zum Vorschein, besonders, wenn es um die politische Situation in den USA geht - wie beim Song "Company Commander". Aber worum es auf "POPticall Illusion" eigentlich geht, ist Einsicht, Veränderung und Zukunft. Und um die Musik der Zukunft vorwegzunehmen, dafür war und ist John Cale genau der Richtige.
Das Album POPtical Illusion von John Cale ist ab dem 14. Juni auf Vinyl, als CD und natürlich auch digital erhältlich.