"Interplay" von Ride: Mystisch, verträumt und hypnotisch
Anfang der 1990er-Jahre kombinierten Bands wie My Bloody Valentine oder Spacemen 3 als Vertreter der Shoegaze-Szene honigsüße Melodien mit heftigem Gitarrenkrach. 30 Jahre später legt die Band Ride mit "Interplay" das beste Album ihrer Karriere vor, findet Marcel Anders.
"Der Titel des Albums stammt vom Schlagzeuger Loz Colbert. Er unterstreicht, wie sehr wir alle an der Entstehung dieses Albums beteiligt waren", erklärt Gitarrist Andy Bell. Die Band sei durch Dick und Dünn gegangen, habe Höhen und Tiefen erlebt, aber trotzdem ein weiteres Album zustande gebracht. Die Stärke der Band Ride sei das Zusammenspiel der vier Bandmitglieder. "Das wollten wir feiern", sagt Bell. Er ist hörbar stolz - und das darf er auch sein. Auf ihrem siebten Album "Interplay", auf deutsch: Zusammenspiel, präsentieren sich die Familienväter, alle Anfang 50, von einer ganz neuen Seite. Sie klingen zwar noch wie Ride von damals, aber das infernale Gitarrenfeedback, das einst ihr Markenzeichen war, ist einem elektronischen Sound gewichen.
"Interplay": Vielseitig, anspruchsvoll und reif
Das Ergebnis: Shoegaze mit Keyboards, bei dem Saiteninstrumente eine untergeordnete Rolle spielen. Und: Das Quartett aus der Universitätsstadt Oxford überrascht mit Anleihen bei Dream-Pop, Psychedelia, Trip-Hop und Synthie-Pop. Ride sind insgesamt vielseitiger, anspruchsvoller und reifer geworden. Sie loten neue Ansätze und Töne aus, sind aber immer noch mystisch, verträumt und hypnotisch. Genau das macht das neue Album so stark.
Der gesteigerte musikalische Anspruch setzt sich auch in den Texten fort. Da schwelgen Ride in ungeniertem Eskapismus - in fantasievollem Kopfkino und Reisen an Orte wie Monaco oder Marokko. Aber sie üben auch ungewohnt deutliche Kritik am Zeitgeist und der aktuellen Tory-Regierung, die sich - so Andy Bell - nicht im Geringsten um die Sorgen der meisten Briten kümmere: Inflation, Überschuldung, Arbeitslosigkeit und ein ruinöses Gesundheitssystem.
Ride: Überrollt vom Britpop
"Einfach nur Grausamkeit, performative Grausamkeit - das ist die Hauptstrategie der konservativen Partei. Wir als Band können nicht ignorieren, dass unser Land ein paar extrem harte Jahre erlebt hat. Was wir denken und fühlen, äußert sich zwangsläufig in unseren Songs. Nur, es ist nicht so, als ob wir daraus eine große Sache machen würden", sagt Bell.
Bescheidenheit - ein Ausdruck von Demut, die Andy Bell in den letzten 30 Jahren gelernt hat. Mit seiner Band Ride war er der Hipster der frühen 1990er-Jahre - wurde dann aber vom Britpop überrollt. Anschließend war er zehn Jahre Mitglied der Band Oasis und ist jetzt ein "elderly statesman" des insularen Rocks. Er veröffentlicht Solo-Alben, unterhält diverse Nebenprojekte und ist sich sicher: Ride habe noch eine große Zukunft - nämlich die, die man einst verpasst hat, versichert Gitarrist Andy Bell: "Jetzt, da wir so weit gekommen sind, trennen wir uns nicht noch einmal. Es fühlt sich nicht so an, als ob das passieren könnte."
Interplay
- Genre:
- Rock
- Label:
- Wichita
- Veröffentlichungsdatum:
- 29. März 2024
- Preis:
- 17,99 €