Unsuk Chin erhält Ernst von Siemens Musikpreis
Die Komponistin Unsuk Chin wird für ihr Lebenswerk ausgezeichnet, teilte die Ernst von Siemens Musikstiftung mit. Die Südkoreanerin erhält die mit 250.000 Euro dotierte Ehrung am 18. Mai in München.
Chin habe der Neuen Musik neue Wege aufgezeigt und ein breites Publikum begeistert, teilte die Ernst von Siemens Musikstiftung im schweizerischen Zug mit. Die private Stiftung vergibt den Ernst von Siemens Musikpreis seit 1973. "Das Besondere und Einzigartige an der Musik von Unsuk Chin ist, dass alles an und in ihrer Musik nach Musik von Unsuk Chin klingt. Alles stammt von ihr und aus ihrer Feder", sagt Winfried Hopp aus dem Kuratorium der Stiftung.
"Ich kann immer noch nicht sagen, ich habe meine eigene Sprache gefunden", sagt Unsuk Chin selbst. "Ich bin gerade dabei, auf dem Weg, auf dieser Reise, und diese Reise wird noch sehr lange weitergehen. Für mich ist Komponistin sein: sich auf dieser Reise zu befinden." Eine Selbstfindungsreise, auf der sehr viele Stücke entstünden, sagt Unsuk Chin. Stücke, die von großer Farbigkeit geprägt sind, oftmals virtuos und herausfordernd, doch auch mit weiten Klangflächen, die sich im Raum entwickeln.
György Ligeti: "Finde Deine eigene Sprache"
"Ich benutze alle möglichen Materialien, ich benutze viele Harmonien, viele Effekte bis zu irgendwelchen Geräuschen - die Palette von musikalischen Materialien ist sehr groß. Das kann man nicht einfach in eine Schublade packen." Schubladendenken fand Unsuk Chin schon immer schwierig. Mal inspiriert sie Fremdes, mal die Tradition. Es gebe aber Vorurteile, Dogmen, dass man sich als Koreaner mit koreanischer traditioneller Musik beschäftigen müsse.
"Ich fand das eigentlich sehr komisch, weil Künstler frei sein müssen. Sie können sich einfach selber entscheiden, wofür sie sich interessieren. Und, ich als Koreanerin: Wenn ich von Anfang an schwadroniert hätte, ich benutze koreanische traditionelle Musik usw. wäre die Akzeptanz meiner Musik viel größer gewesen und mein Weg wäre viel leichter gewesen. Aber ich wollte das nicht." Dass sie ihre eigene Sprache finden solle, sagte ihr auch ihr Lehrer György Ligeti.
Von Seoul über Hamburg nach Berlin
Nach ihrem Studium in Seoul kam Unsuk Chin mit Mitte 20 über ein Stipendium nach Hamburg. Sie stellte alles bis dahin Komponierte infrage und stürzte in eine tiefe Krise. Nach drei Jahren ging Unsuk Chin dann nach Berlin. Dort lebt sie bis heute. Was sie damals vor 30 Jahren weiterbrachte, war die Auseinandersetzung mit den technischen Möglichkeiten, die das elektronische Studio der TU Berlin ihr bot. Heute komponiert sie allerdings kaum noch für Elektronik.
Synästhetikerin verbindet Klänge mit Farben
Als Kind hatte Unsuk Chin den Wunsch, Pianistin zu werden, konnte aber keinen Unterricht nehmen. So entschied sie sich früh fürs Komponieren. Bis heute schreibt die 62-Jährige vor allem größere Orchester- und Ensemblewerke, die trotz der Klangfülle in allen Ebenen durchsichtig klingen. Dafür wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grawemeyer Award, dem Arnold-Schönberg-Preis und mit dem Hamburger Bachpreis. Es ist sinnliche Musik, geprägt von Chins innerem Farberleben. Denn Unsuk Chin ist Synästhetikerin und verbindet Klänge mit bestimmten Farben.
Anfang der 90er-Jahre gelang ihr mit "Akrostichon - Wortspiel" der internationale Durchbruch. Das Stück für Sopran und Kammerensemble konzentriert sich rein auf den phonetischen Klang der Worte. Auch ihre 2007 von "Alice in Wunderland" inspirierte Oper sorgte für Aufsehen.
Unsuk Chin: "Ich höre selten meine eigene Musik"
Solisten verlangt sie oft viel Virtuosität ab. Unspielbarkeit nicht als Selbstzweck, sondern musikalisch begründet und als Ausdruck der Energie, die das Ringen um ein neues Stück, um eine neue Art zu schreiben, mit sich bringt. Kompromisslos, authentisch und sich immer aufs Neue hinterfragend. "Als Komponistin kann ich nicht über meine eigenen Stücke urteilen, man steckt einfach selber in diesem Stück drin", erzählt Chin. "Wenn ich meine eigenen Werke höre, packt mich immer ein Schamgefühl, ein Unbehagen - das ist sehr schwierig. Daher höre ich selten meine eigene Musik."