"Meine Symphonie": Persönliche Geschichten werden Musik
"Meine Symphonie" heißt ein musikalisches Projekt der Körber-Stiftung, das Menschen mit ganz unterschiedlichem Hintergrund zusammenbringt - in einer Gemeinschaftsproduktion von Profis und Laien.
Ein Nachmittag im Haus im Park in Bergedorf. Claudia Singer, eine jugendlich wirkende Frau mit grauem Haar und dunkelblauem Pulli, steht zum ersten Mal vor dem Orchester und singt das Stück "Sprudelndes Licht". "Da geht es um meine Jugendzeit, da habe ich einen LSD-Trip gehabt. In einer Zeit, in der es mir sehr schlecht ging, hat der mich verbunden, mit der ganzen Welt, mit Farben, mit Formen. Das hat mir damals sehr viel Hoffnung gegeben", erklärt Claudia Singer. Die Mittsechzigerin ist Psychotherapeutin in Hamburg. Sie gehört zu den Teilnehmenden am Projekt "Meine Symphonie" der Körber-Stiftung.
Symphonie vertont prägende Momente von 12 Hamburger*innen
Diese Symphonie für Vokalstimmen und Orchester vertont prägende Momente aus dem Leben von 12 Hamburgerinnen und Hamburgern. Sie haben sich bei der Körber-Stiftung für das Projekt beworben und vorab zu einem Austausch getroffen. "Jeder wusste nur, man soll eine Begegnung erzählen, die bedeutsam für einen war", sagt der Diplom-Pädagoge Albert Borde und erzählt weiter: "Nach fünf Minuten hat jeder, der in diesem Kreis saß, berührende und eindrucksvolle Geschichten, private Geschichten preisgegeben. Es sind auch Tränen geflossen. Und es war trotzdem nicht schwierig."
Komponist Mark Scheibe lässt sich von Geschichten inspirieren
Für diese sehr unterschiedlichen Geschichten und Persönlichkeiten hat der Bremer Komponist Mark Scheibe zusammen mit den Teilnehmenden einen passenden Ton gesucht. "Oft ist es so, dass ich mit der Person zu zweit am Klavier sitze. Mir wird etwas erzählt, ich stelle Fragen, ich spiele schon ein bisschen dazu. Dann nehme ich das auf, zuhause höre ich mir das an. Wenn ich Glück habe, ist etwas dabei, wo ich anknüpfen kann", erklärt Scheibe den Entstehungsprozess der Stücke.
"Tschaikowsky hat niemanden umgebracht" von Anastasiia Shevchuk
Mark Scheibe bedient sich bei verschiedenen Stilen und Genres. Er lässt einen Choral anklingen oder blickt auch mal nach Hollywood. Der Song von Claudia Singer erinnert an die Dreigroschenoper. Das Stück der ukrainischen Mezzosopranistin Anastasiia Shevchuk bekommt einen düsteren Sound. "Tschaikowsky hat niemanden umgebracht" heißt Shevchuks Beitrag. Ein Plädoyer der jungen Ukrainerin für den übernationalen Wert großer Meisterwerke und Komponisten. Den könne auch der russische Angriffskrieg nicht zerstören. "Künstler wie Tschaikowsky, Schostakowitsch, Rachmaninoff - die gehören dem Land nicht. Und ein Mensch - ich werde den Namen nicht sagen - kann diese Kultur nicht kaputt machen. Er hat damit nichts zu tun!", betont Shevchuk.
Das Projekt "Meine Symphonie" bringt Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen zusammen - auch im Orchester. Es basiert auf dem Ensemble "musici emeriti" mit ehemaligen Mitgliedern der Symphoniker Hamburg, des Philharmonischen Staatsorchesters und des NDR Elbphilharmonie Orchesters. Dieses Ensemble sei beim Projekt erweitert, erklärt Bahar Roshanai, Programmmanagerin der Körber-Stiftung, die das ganze Projekt initiiert hat. "Die Stimmen, die uns gefehlt haben, haben wir durch ukrainische Schutzsuchende, die an der Hochschule gerade ein Gaststudium absolvieren, ergänzt", berichtet Roshanai. Die Uraufführung findet am 7. Dezember während der Eröffnungswoche vom neuen KörberHaus in Hamburg-Bergedorf statt.