Dirigent Seiji Ozawa ist tot: Energiebündel mit goldenem Herz
Der japanische Dirigent Seiji Ozawa ist tot. Der frühere Musikdirektor der Wiener Staatsoper starb bereits am 6. Februar in seinem Haus in Tokio an Herzversagen, wie sein Management mitteilte. Er wurde 88 Jahre alt.
Geboren wurde Seiji Ozawa am 1. September 1935 in Shenyang, im heutigen China. Als er sechs Jahre alt war, zogen seine Eltern mit ihm nach Japan. Er wollte Pianist werden, doch ein Unfall beim Rugby beendete den Traum. Seine Mutter schickte den 14-Jährigen damals in ein Orchesterkonzert.
Hideo Saito, der in Berlin der 1920er-Jahre Violoncello und Dirigieren studiert hatte, öffnete ihm die Welt der westlichen Musik. Doch die Japaner weigerten sich anfangs, unter der Leitung von Ozawa als Dirigent zu spielen. Sie wollten für die westliche klassische Musik keinen asiatischen Dirigenten. Heute sind sie ihm dankbar, dass er seinen Weg unbeirrt weiter gegangen ist.
Seiji Ozawa: "Energiebündel" mit "goldenem Herz"
In Scharen besuchten die jungen Dirigenten seine Kurse. Technik, Herz und Verstand seien die Basis, erklärte Ozawa. Aber das Wichtigste seien die Fragen: Welches Leben lebst du? Was bist du für ein Mensch? Und was bist du in der Lage zu fühlen?
Ozawa habe ein goldenes Herz, schwärmte Anne-Sophie Mutter nach dem Konzert 2019, und wer ihm begegnete, war berührt von seiner strahlenden Freundlichkeit, die keinesfalls mit Nachlässigkeit einhergeht. Absolute Präzision in Tempo und Dynamik waren Markenzeichen des Japaners.
Karajans Gestik und Bernsteins Herz brachten Seiji Ozawa an die Spitze
Mit besonderer Freude ernannten die Berliner Philharmoniker Ozawa 2016 zu ihrem Ehrenmitglied. Er war von seinem schweren Krebsleiden genesen und zu ihnen zurückgekommen. Lässig saß er da, mit seinen roten Turnschuhen, und lachte beim gemeinsamen Rückblick auf seine Karriere.
Die Tür dazu öffnete ihm der Schauspieler Viktor de Kowa, erzählte Ozawa. Der war mit einer japanischen Schauspielerin verheiratet und machte den 31-jährigen Dirigenten mit Herbert von Karajan bekannt. Karajan betrachtete Ozawa zeitlebens als seinen Schüler. Er erlaubte ihm, ein Jahr zu Leonard Bernstein nach New York zu gehen und bestimmte noch lange sein Repertoire. Karajans Gestik und Bernsteins Herz brachten Seiji Ozawa an die Spitze der Weltorchester in Europa, Asien und Amerika. So war er fast 30 Jahre Musikdirektor des Boston Symphony Orchestra und setzte dort Maßstäbe. Von dort wechselte er an die Wiener Staatsoper, an der er auch seine Karriere als Musikdirektor beendete.
Breites Repertoire mit klanglicher Brillanz
Der kleine, drahtige Japaner mit den vielen Lachfalten wurde oft als "Energiebündel" beschrieben. Jahrzehntelang dirigierte er nur wenige Opern, aber mit großem Erfolg. Sein breites Repertoire begeisterte ebenso wie die klangliche Brillanz, die er mit dem Orchester erreichte. In den vergangenen Jahren plagten den großen Dirigenten jedoch gesundheitliche Probleme.