CD der Woche: Seong-Jin Chos Händel-Album trifft mitten ins Herz
Auf seiner neuesten CD "The Handel Project" stellt der Pianist Seong-Jin Cho Barockmusik ins Zentrum - ein Programm, mit dem er gerade auf Tournee ist. Wieder einmal ein fantastisches Album des Koreaners.
"Meister der virtuosen Miniatur" - so nannte ihn vor vier Jahren das "Wall Street Journal". Eine Virtuosität, die auch Händels Musik leicht und farbenreich erscheinen lässt.
Der leichte, verspielte Ton der Gigue oder der delikate Anschlag im folgenden Allegro, in dem Seong-Jin Cho die Fugenstimmen klanglich voneinander absetzt - es klingt stets, als würde der junge Koreaner ein Orchester dirigieren: ein Fagott in der tiefen, eine Flöte in der oberen Lage. Mit seinem Anschlag und der ausdifferenzierten Artikulation gelingt Seong-Jin Cho ein farbenreiches Spiel, das einen sofort einnimmt und mitreißt.
Seong-Jin Chos fesselnde Technik
Das Cembalo habe er ausprobiert, aber noch nie auf der Bühne gespielt, schreibt Cho im Booklet seiner Händel-CD. Er orientiert sich aber hörbar am Klang des Cembalos: die leicht angerissenen Klänge, die trockenen, kurzen Töne, das dichte Fingerlegato ohne Hilfe des Pedals, die Transparenz des Gesamtklangs. Und dann trifft er immer wieder mitten ins Herz mit diesen intim klingenden, weichen Passagen.
Aus dem Fundus an Händel-Suiten, die leider viel zu selten gespielt werden, hat Seong-Jin Cho die drei aus dem ersten Band von 1720 ausgewählt, die ihm - einem Impuls folgend - am meisten zugesagt haben. Er zeigt tiefes Verständnis für diese Epoche, mit der man ihn bisher kaum gehört hat. Wie auch in anderem, beispielsweise romantischem Repertoire überzeugt Cho mit seiner großen technischen Souveränität, die ohne seine vielen Klangfarben und seine Gestaltungskraft bei weitem nicht so fesselnd wäre.
Seong-Jin Cho zeigt, wie modern Barockmusik sein kann
Wie anregend Händels Musik auch für andere Komponisten war, zeigt Seong-Jin Cho in den Variationen, die Brahms über ein Thema von Händel schrieb. Auch hier behält der Koreaner einen transparenten Klang bei und einen Schwung, der nur hier und da mehr Klangvolumen gewinnt.
Passend dazu beschließt Cho seine Einspielung mit etwas romantischeren Händel-Klängen, mit etwas mehr Pedaleinsatz: zwei Einzelsätze aus dem später veröffentlichten Zweiten Band von Händels Suiten, eine Sarabande aus der Siebten Suite und Wilhelm Kempffs Bearbeitung eines Händel-Menuetts aus der Ersten Suite. Es fehlt dieser Aufnahme an nichts: Sie ist geprägt von perlender Leichtigkeit, von kantablen, manchmal Lamento-artigen Passagen, sie pulsiert und zeigt, wie modern Barockmusik sein kann. Wieder einmal ist es ein fantastisches Album von Seong-Jin Cho.
The Handel Project
- Label:
- Deutsche Grammophon