Album der Woche: William Youn spielt Werke der französischen Romantik
William Youns Feinsinn macht ihn zu einem herausragenden Interpreten des klassischen und romantischen Repertoires. Dem widmet er sich auch mit seiner neuen Aufnahme.
Ein Klavier, ganz alleine. Harmonien, die an einen alten Choral erinnern. Und plötzlich: eine neue Farbe, vom Pianisten dezent hervorgehoben. Ist das ein Jazzakkord? Der kommt jedenfalls ziemlich überraschend. Ebenso wie der Einsatz des Orchesters. Es greift die Melodie des Klaviers auf. Mit einem zuckersüßen Gesang, geführt von der Flöte.
Er habe wirklich keinen Plan gehabt, meinte der Komponist Reynaldo Hahn über den ersten Satz seines Klavierkonzerts aus dem Jahr 1930. Und genau das macht den besonderen Reiz aus. Die Musik wirkt spontan, sie bezaubert mit einer Fülle an Ideen. Das ist in der neuen Aufnahme von William Youn und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Valentin Uryupin zu hören.
Hahns Gespür für sanfte Melodien
Reynaldo Hahn war ein Liebling der Pariser Salons, vor allem wegen seiner romantischen Lieder. Das Gespür für sanfte Melodien zeichnet ihn aus, das ist eine große Stärke.
Auch in melancholischen Momenten scheint immer noch ein bisschen die Sonne. Die Musik bewahrt etwas Leichtes. Und manchmal gibt sie sich neckisch und verspielt, wie im zweiten Satz. Er heißt "Danse" - aber da tanzen wohl keine Menschen, sondern eher kleine Elfenwesen. Eine schöne Entdeckung, charmant präsentiert vom RSO Berlin und William Youn, der immer wieder Raum für feine Nuancen im Klang und im Tempo findet.
Faurés weiche Musik und Boulangers raue Töne
Das Klavierkonzert von Reynaldo Hahn ist Auftakt eines Programms mit französischen Werken. Darunter auch zwei wenig bekannte Stücke für Klavier und Orchester von Gabriel Fauré. Auch Faurés Musik klingt romantisch und weich. Auf Dauer ist das aber etwas glatt. Umso wichtiger, dass die Interpreten einen Kontrast setzen - mit der Fantasie für Klavier und Orchester von Nadia Boulanger, die ein bisschen rauer klingt. Boulanger schlägt dunklere und schroffere Töne an - und verbindet sie mit Glut und sinnlichem Flirren.
Tolle Entdeckungen
William Youn und das Orchester schwelgen im Sog der Musik. Allerdings hier und da manchmal auf Kosten der Sorgfalt, etwa in der Intonation zwischen Streichern und Bläsern. Technisch spielt das Orchester unter Valentin Uryupin nicht ganz auf höchstem Niveau. Aber das stört nicht groß, weil die Interpreten den Geist der Musik sehr schön einfangen und mit ihrem Album tolle Entdeckungen präsentieren.
Boulanger, Fauré, Hahn
- Genre:
- Klassik
- Zusatzinfo:
- Reynaldo Hahn: Klavierkonzert; Gabriel Fauré: Ballade, Fantaisie; Nadia Boulanger: Fantaisie variée pour piano et orchestre, u.a. Willam Youn, Klavier; Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin; Valentin Uryupin
- Label:
- Sony Classical