Album der Woche: "American Road Trip" von Augustin Hadelich
Seit 20 Jahren lebt der deutsche Geiger Augustin Hadelich in den USA. Auf seinem neuen Album erkundet er zusammen mit dem Pianisten Orion Weiss die Musiklandschaft seiner Wahlheimat, von der Romantik bis heute.
Locker, als ob er die Musik mit der Muttermilch aufgesogen hätte, lässt Augustin Hadelich die Bluegrass-Rhythmen im "Wild Fiddler’s Rag" aus seiner Geige heraussprudeln. Country-Musik gehört zur musikalischen "DNA" der Vereinigten Staaten, man kennt sie aus Western-Filmen. Augustin Hadelich hat diese Melodie von Howdy Forrester für Geige solo arrangiert und serviert sie mit Pep.
Die Vielfältigkeit der US-Musik
Wie ein Easy Rider - nicht auf dem Motorrad, sondern mit seiner Geige - erkundet Augustin Hadelich die amerikanische Musiklandschaft. Er lässt seine Hörer staunen über die Vielfältigkeit an Stilen, die wiederum aus den unterschiedlichsten Musiktraditionen kommen.
Bei Amy Beach taucht Augustin Hadelich mit seinem warmen und flexiblen Ton in die europäische Romantik ein. Um dann mit der Violinsonate "Children's Day" von Charles Ives zu zeigen, dass es in den USA Komponisten gab und gibt, die einen ganz eigenen avantgardistischen Stil entwickelten, zum Teil progressiver als in Europa, mit sich wie kakophonisch überlagernden Melodien, Harmonien und Rhythmen.
Ganz anders: Stephen Hartke, 2011 hat er sich für seinen Zyklus "Netsuke" von den gleichnamigen japanischen Mini-Skulpturen inspirieren lassen und eine ganz eigene Klangwelt erfunden. Die sechs Stücke erzählen von Figuren der japanischen Mythologie. Tanuki, ein schelmischer Gott, spielt eine japanische Laute - Augustin Hadelich benutzt dafür auf der Geige ein Gitarren-Plektrum. Oder bei "Baku, einem Monster, das Albträume verschlingt", muss die Stradivari beängstigend knirschen und knarzen.
Hadelich und Weiss begeistern mit Lust und Leidenschaft
Schwierigste Violintechniken vergisst man bei Augustin Hadelich. Klug und abwechslungsreich hat er seinen musikalischen Road Trip zusammengestellt. Er schaut auch beim Minimal-Komponisten John Adams vorbei, und bei einer Ikone der Rockmusik: Jimi Hendrix. In "Filter" von Daniel Bernard Roumain schabt und scratcht Hadelich über die Geigensaiten wie Hendrix einst über die E-Gitarren-Saiten. Das ist atemberaubend und auch "cool" gespielt. Es ist faszinierend, wie mühelos sich Hadelich in die verschiedenen Stile einfühlt.
Und geht es einmal ans Herz, wie in Leonard Bernsteins "Somewhere" aus der "West-Side-Story", läuft Augustin Hadelich auch nicht Gefahr, in Kitsch abzugleiten. Er und sein großartiger sensibler wie virtuoser Pianist Orion Weiss gehen auf ihren American Road Trip mit Lust und Leidenschaft, mal rasend schnell auf dem Highway der Gefühle, mal besonnen und reflektierend, immer mit Charme und Noblesse. Sie begeistern in jeder Sekunde.
American Road Trip
- Zusatzinfo:
- Augstin Hadelich, Violine; Orion Weiss, Piano
- Label:
- Warner Classics