Jazzalbum der Woche: "Dahab Days" von Rob Luft
Durch den Lockdown 2020 saß Gitarrist Rob Luft in Ägypten fest. Landschaft und seine Liebe zur arabischen Pop-Musik der 1950er inspirierten ihn zu den heiteren, warmen Kompositionen auf "Dahab Days".
Als die Welt dicht machte, da saß Rob Luft in der Wüste fest. Corona und die Quarantäne - der britische Gitarrist fand sich am Roten Meer wieder, tankte Licht und zählte Wellen. Nach dem Cairo Jazz Festival im November 2020 war Luft auf den Sinai gereist, wurde dort vom Lockdown überrascht und begann, die Songs von "Dahab Days" zu schreiben - der ägyptische Hippie- und Taucher-Treff Dahab war zur nicht ganz freiwilligen Wahlheimat geworden.
Für den Briten nun aber auch kein schlechter Ort: Seit den Anfängen seiner Karriere treibt Luft die Vision eines grenzenlosen, globalen Jazz um. Mit der Sängerin Elena Duni hatte Luft auf zwei hochgelobten ECM-Alben die Musik-Tradition des Balkans verknüpft mit Chansons, US-Folk und Jazz-Standards, in Dahab fand er nun auch noch eine Kulisse für seine Liebe zur arabischen Pop-Musik der 1950er, dem westafrikanischen Highlife und zum Wüsten-Blues der Saiten-Virtuosen Ali Farka Touré und Toumani Diabaté - Einflüsse die in den neuen Songs noch deutlicher auszumachen sind als auf dem glänzenden Vorgänger-Album "Life is a Dancer".
Arabisches Liebeslied durch die Augen von Pink Floyd
Lufts Tage in Dahab waren voller Licht - das sieht man schon dem Cover der "Dahab Days" mit seinem Dreiklang aus blauen Wellen, grünen Palmen und gelben Dünen an. Und das hört man auch: Das Sabbatical inspirierte ihn zu heiteren, warmen Kompositionen wie dem Titelsong, "Daylight Saving Time" oder dem programmatisch überschriebenen "Sunshine Days", die sich mitunter hymnisch hochschrauben wie einstmals die Stücke der frühen Pat Metheny Group. Gemeinsam mit seiner Band mit dem Saxofonisten Joe Wright, dem Keyboarder Joe Webb, dem Bassisten Tom McCredie und dem Drummer Corrie Dick plus Streichern hat Luft die Stücke dann im Frühsommer 2022 in London eingespielt.
Und dabei das arabische Liebeslied "Lamma Bada Yatathanna" aus dem Andalusien des 14. Jahrhunderts - so sagt er selbst - durch die Augen von Pink Floyd und deren Gitarristen David Gilmour betrachtet und Duke Ellingtons "African Flower" durch die Augen von Marc Ribot und Tom Waits. Und dass er seine Konzerte seit Jahr und Tag mit einer sphärischen Improvisation über ein Stück des Elektronik-Pioniers Richard David James alias Aphex Twin eröffnet, ließ ihn nun auch diese Musik in das dritte Album zu integrieren.
Ein Spektrum an Ideen und Inspirationen
"Dahab Days" ist voll dieser überraschenden Wendungen - ein kunstvolles, rundes und reifes Album eines Gitarristen, der sich schon sehr früh selbstbewusst eine Nische gesucht hat. London als kreativer Hotspot und globaler Jazz-Basar hat Luft genauso geprägt wie all jene Zeit- und Altersgenoss:innen, die an der Themse der afrikanischen Diaspora nachspüren. Nur hat diese kulturelle Neugier ihn an andere Ufer geführt. Möchte man mäkeln, dann ließe sich festhalten, dass die Sequenzierung des Albums Schwächen aufweist - nehmen wir die Vinyl-Version, dann kann die etwas zerfaserte zweite Seite die ungeheure Spannung der ersten nicht halten. Aber das ist nun wirklich Klagen auf hohem Niveau: Rob Luft ist eine der wichtigsten europäischen Jazzer dieser Tage und seine "Dahab Days" nehmen ein schier unübersehbares Spektrum an Ideen und Inspirationen mit großer Leichtigkeit und Eleganz auf.
"Dahab Days"
- Genre:
- Jazz
- Label:
- Edition Records
- Veröffentlichungsdatum:
- 20.10.2023
- Preis:
- 13,99 €