Ein "Spaziergang über den Broadway" mit dem Jeff Cascaro Trio

Stand: 21.02.2025 13:06 Uhr

New Yorks Broadway ist eine Bühne voller Geschichten - genau dorthin nimmt uns das Jeff Cascaro Trio mit seinem aktuellen Programm "A Walk on Broadway". Am Mittwoch war es zu Gast bei NDR Kultur EXTRA.

von Friederike Westerhaus

Sänger und Trompeter Jeff Cascaro interpretiert Klassiker des Great American Songbook mit unaufgeregter Eleganz, begleitet vom Pianisten Olaf Polziehn und vom Kontrabassisten Christian von Kaphengst. Gemeinsam erzeugen sie eine intime, kammermusikalische Atmosphäre, in der musikalische Persönlichkeit auf harmonisches Zusammenspiel trifft. Ein Gespräch über Inspiration, gelebte Jazztradition und das besondere Bandgefühl, das die drei Musiker verbindet.

Es ist etwas Besonderes, dass Du Dich nicht zwischen dem Singen und der Trompete entschieden hast, sondern beides gleichermaßen verfolgst. Hast Du jemals darüber nachgedacht, Dich nur auf eines der beiden zu konzentrieren, oder war für Dich immer klar: Ich brauche beides, um mich auszudrücken?

Jeff Cascaro: Ich brauche beides. Und ich erkläre auch, warum: Mein Vater und meine gesamte Familie waren Kirchenmusiker. Mein Vater spielte Trompete - sehr ambitioniert, wenn auch nicht professionell. Er nahm mich mit auf eine Reise durch sämtliche Kirchen und Gemeindehäuser West-Europas. Ich kenne sie alle. Ich weiß noch heute, wo die Hintereingänge sind. Das hat mich tief geprägt. Die Blasmusik, die Choralmusik - diese kirchlichen, wunderbaren Choräle haben mich nie losgelassen. Bis heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich sie höre. Das liegt nicht nur an der Qualität der Musik, sondern an ihrer emotionalen Tiefe. Die Blechblasmusik ist ein Teil von mir.

Mein Bruder wurde nicht so oft mitgenommen wie ich. Ich hingegen war immer dabei - und das hat mich geprägt, auch auf eine spielerische Weise. Kürzlich habe ich ein Foto gefunden: Ich war drei Jahre alt, als mein Vater mich mit einer Trompete fotografierte. Der Trichter war so groß, dass man meinen Kopf dahinter kaum erkennen konnte. Das wäre ein großartiges Plattencover! Die Trompete ist für mich eine emotionale, ja sogar körperliche Erfahrung. Ich habe es mal ohne sie versucht - aber sie lässt mich nicht los. Es ist kein Mysterium, aber ein ständiger Kampf, ein Ringen. Und genau das hält mich in Bewegung, hält mich am Leben. Denn nichts ist selbstverständlich.

Jeder von Euch hat seine eigene Stimme, sein eigenes Ausdrucksmittel gefunden im Instrument, was Ihr spielt. Nun gilt es ja im Trio dann auch wirklich zusammenzukommen. Da ist die Frage, wieviel eigene Persönlichkeit ist gefragt, wie viel ist es auch das Sich-aufeinander-einstellen? Wie demokratisch geht es zu im Trio?

Olaf Polziehn: Eigentlich ist es eine wirklich demokratische Einheit. Ich würde es so beschreiben: Es ist wie so ein Organismus, der sich ständig bewegt. Mal ziehe ich so ein bisschen an, wenn ich Solo spiele, dann gebe ich vor, und er folgt mir. Und wir versuchen einfach, zusammen zu sein. Wenn er singt oder Solo spielt, dann schaue ich, dass ich ihm ein schönes Sofa bereite, auf dem er sich ausbreiten kann. Deswegen ist es wirklich demokratisch. Aber es ist schon so, dass dann auch jeder mal irgendwann Verantwortung übernehmen muss und es irgendwo auch hinführen kann oder lenken kann.

In dieser Konstellation arbeitet Ihr schon so lange. Was ist es, was das für Dich ausmacht?

Christian von Kaphengst: Vor etwa 25 Jahren habe ich mit einer Band ein Album für Charlie Mariano produziert. Damals schlug ich ihm vor, eine Vocal-Nummer mit Jeff aufzunehmen. Charlie war einverstanden, er spielte ein großartiges Solo. Die Platte wurde sehr schön, besonders in dieser Konstellation. Musikalisch bewegte sich das Ganze eher im R’n’B- und Soul-Bereich, aber instrumental. Dabei habe ich gemerkt, wie einfach es sein kann, wenn man mit einem guten Song, einem einfachen Arrangement und einem hervorragenden Toningenieur arbeitet. Diese Erfahrung hat uns ermutigt, weiter zusammen Musik zu machen. Seitdem haben wir bestimmt schon sechs Alben gemeinsam aufgenommen.

Es fließt zwischen Euch, das merkt man.  Man merkt, was Ihr für eine Energie habt zusammen. "On Broadway“ von Barry Mann, Cynthia Weil, Jerry Leiber und Mike Stoller hat für Dich, Jeff, eine ganz besondere Bedeutung. Welche Geschichte steckt dahinter?

Jeff Cascaro: Mein Vater ist vor einiger Zeit verstorben. Er war schwer an Demenz erkrankt und lebte am Ende seines Lebens in seiner eigenen Welt. Oft war er nicht mehr richtig ansprechbar. Eines Tages fuhren meine Tochter und ich ins Pflegeheim. Mein Vater saß in seinem Zimmer, schaute uns strahlend an und sagte zu mir: "Na, Junge, wie gefällt es dir hier am Broadway?" Einige Wochen später spielte ich ein Konzert in Pontevedra, an der Westküste Spaniens, direkt am Atlantik. Plötzlich war es, als würde mein Vater durch diese Broadway-Geschichte zwischen die Zeilen wandern. Er hatte nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun, auch nicht mit dem Stück, und doch schien er darin seinen eigenen Weg zu gehen. Es war ein schöner Moment, in dem ich ihm noch einmal begegnen konnte.  Eine schöne Geschichte, die nicht sentimental, sondern auf eine besondere Weise berührend ist. Es hat sich einfach so ergeben. Und genau deshalb gehört dieses Stück in mein Programm natürlich.

Viele haben einen bestimmten Ton oder Moment erlebt, der wie eine Initialzündung für sie war.  Wie war es bei Dir, Christian? Hattest Du auch einen Song oder einen speziellen Moment, in dem sich für Dich eine Tür in die Musikwelt geöffnet hat?

Christian von Kaphengst: Was den Jazz angeht, verdanke ich es meinem Vater, dass ich ihn quasi mit der Muttermilch aufgesogen habe. Er war leidenschaftlicher Jazzfan, besaß eine beeindruckende Plattensammlung und war auch selbst Hobbymusiker. Während seines Studiums finanzierte er sich unter anderem durch das Organisieren von Konzerten und das Spielen verschiedener Instrumente. Einen bestimmten Moment, in dem der Jazz mich gepackt hat, gab es nicht - er war einfach von Geburt an der Klang meiner Welt. Aber es gab prägende Erlebnisse. Zum Beispiel war ich mit meinen Eltern auf einem Konzert von Oscar Peterson. Dieses Konzert war ein Schlüsselmoment für mich. Ich erinnere mich genau daran, wie ich später in unserem Reihenhaus die Treppe hochging und plötzlich begriff, was ein Walking Bass ist. Ein weiteres Aha-Erlebnis hatte ich bei einem Konzert von Benny Goodman. Plötzlich wurde mir klar: Was spielen sie da oben eigentlich?? Das sind die Achtelnoten! Und wie sie phrasiert sind! Ich weiß noch genau, wo ich saß, als es Klick gemacht hat.

Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur EXTRA | 19.02.2025 | 13:00 Uhr

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