Tausendfach aufgeführt - immer noch fesselnd
Bachs h-Moll-Messe, Beethovens 9. Sinfonie, Mozarts Zauberflöte: Es gibt Werke der klassischen Musik, die fast jeder schon einmal gehört hat. Aber "Klassik" - das ist viel mehr. Jeder Klassikfan und jeder Musiker hat seine Lieblingsstücke - und erst die ganze Vielfalt macht die Faszination deutlich, die von der klassischen Musik ausgehen kann. Wovon die Mitglieder des NDR Elbphilharmonie Orchesters schwärmen, darum geht es im "Weltwissen Musik". Thema dieser Folge: Bachs Matthäus-Passion, vorgestellt von Geiger Boris Bachmann.
Die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach ist schon fast dreihundert Jahre alt - trotzdem hat sie bis heute nichts von ihrer Wirkung eingebüßt. Das Oratorium über die Leidensgeschichte Jesu gehört zu den bedeutendsten Kompositionen der geistlichen Musik; für viele ist es das größte Meisterwerk der Klassik überhaupt. Auch der Geiger Boris Bachmann schwärmt für das Stück.
Geerbte Liebe für Bach
Manche Musiker müssen lange überlegen, wenn man sie nach ihrem Lieblingsstück fragt und können sich nur schwer entscheiden. Für Boris Bachmann aus dem NDR Elbphilharmonie Orchester ist die Sache klar: "Wenn ich ein Stück auf die Insel mitnehmen müsste, und mich für eins entscheiden müsste, würde ich wahrscheinlich die Matthäus-Passion mitnehmen."
Diese besondere Vorliebe hat Bachmann von seiner Familie geerbt: "Meine Eltern sind beide Berufsmusiker und die haben früher im Hamburger Michel immer die Bach-Werke aufgeführt, damals noch mit Günter Jena. Sie haben mich immer mitgenommen, als kleiner Junge schon."
Ein Stück für jede Lebenslage
Die Matthäus-Passion im Hamburger Michel zu hören, war ein beeindruckendes Erlebnis für den jungen Boris Bachmann, blieb aber nicht sein einziger Zugang zum Stück: "Ein bisschen später war ich dann im Knabenchor, mit Gerhard Dickel, und konnte dann diesen Cantus firmus mitsingen, "O Lamm Gottes". Nach meinem Musikstudium habe ich dann selber als Musiker viele Jahre - und bis heute - in diesen Oratorien-Konzerten mitgewirkt."
Als Hörer, Knabenchorsänger und professioneller Geiger kennt Boris Bachmann die Matthäus-Passion in und auswendig und schätzt das Werk für seine tiefe Menschlichkeit. Man müsse nicht unbedingt religiös sein, um sich von der Musik berühren zu lassen, meint Bachmann: "Für mich ist einfach alles drin in diesem Stück. Es ist Trauer, es ist Trost, es ist Erlösung, es ist Mitnehmen, es ist Harmonie, es ist Disharmonie. Es ist so kompakt und für jede Lebenssituation voll mit Bereicherung."
Immer wieder fesselnd
Bach vereint in seiner Passion Ausdruckkraft mit dramaturgischem Gespür und höchster kompositorischer Meisterschaft. Wie er verschiedene musikalische und textliche Ebenen übereinander schichtet, ist beeindruckend und schon im Eingangschor zu erleben. Dort verbindet er die Schwere eines Klagegesangs mit dem tänzerischen Schwung eines 12/8-Taktes.
Boris Bachmann spielt die zweite Geigenstimme auswendig mit, für den Beginn seines Lieblingsstücks braucht er keine Noten. Obwohl er die Matthäus-Passion mittlerweile schon dutzendfach aufgeführt und noch öfter gehört hat, staunt er immer noch so über die Musik, als hätte er sie gerade neu entdeckt: "Vom ersten Ton an fesselt mich das Stück einfach jedes Mal wieder. Ich kann das nicht oft genug spielen und nicht oft genug hören."