Klingende Tradition: 75 Jahre "Stunde der Kirchenmusik"
Eine ganz besondere Hamburger Tradition feiert Geburtstag. Seit jetzt 75 Jahren gibt es nämlich in der Hauptkirche St. Petri die Stunde der Kirchenmusik. Die findet seit 1948 jeden Mittwoch um 17.15 Uhr statt - und zwar gratis.
Es erklingt von der Orgelempore Musik von Mendelssohn und Bach. So weit so normal. Man spürt aber: Das hier ist mehr als nur ein Orgelkonzert. Im Publikum sitzen Menschen, die seit Jahrzehnten regelmäßig kommen. "Wir zählen nicht mit, aber wir sind seit Ende der 60er Jahre dabei", sagte eine Besucherin strahlend und fügt hinzu: "Für uns ist das Heimat!" Eine ältere Veranstaltungsreihe als diese muss man in Hamburg lange suchen.
Musik-Oase in Kriegstrümmern
Angefangen hat alles in der Nachkriegszeit, erklärt Landeskirchenmusikdirektor Hans-Jürgen Wulf. Hamburg liegt damals in Trümmern, Gustav Knak ist Organist an St. Petri. "Knak war Schüler des bedeutenden Komponisten Max Reger und hatte 1948 die Idee, eine wöchentliche Musikstunde einzuführen an der einzigen noch erhaltenen, spielbaren Orgel in der Innenstadt", sagt Wulf.
Es entsteht damals eine musikalische und spirituelle Oase mitten zwischen Zerstörung und Aufbruch. Den vielen Hamburger Organisten, deren Orgeln zerstört waren und die lange nur auf einem Harmonium die Gottesdienste begleiten konnten, bot sich nun die Möglichkeit, wieder konzertant Orgel zu spielen.
Organist muss Autogramme geben
3.743 Mal ist seitdem mittwochs um viertel nach fünf die Orgel angesprungen. Nur in der Corona-Zeit gab es eine Zwangspause. Auch Chöre, Klavier, Saxofone und Solo-Soprane sind immer wieder dabei. Es ist die ganze Bandbreite. Der Nachmittag ist ein Schaufenster der Kirchenmusik geworden - immer in engem Kontakt zur Hochschule für Musik und Theater, um auch dem Kirchenmusiknachwuchs eine Plattform zu bieten. Diesmal sitzt Hans Bäßler an der Orgel. Danach muss er Autogramme geben, begeisterte Zuhörer bestürmen ihn.
Erfolgsgeschichte auch im 21.Jahrhundert
Die Stunde der Kirchenmusik ist sehr gut besucht. An diesem Mittwochnachmittag sitzen mehr als 100 Menschen in der Kirche. Nicht nur Stammpublikum ist dabei. Auch Menschen mit Einkaufstüten lassen sich von der Musik anlocken. Die Stunde der Kirchenmusik sei immer noch ein Erfolg, freut sich Bäßler. "Das liegt daran, dass es immer kostenlos gewesen ist und dass immer eine tiefe Verbindung zu einem Hamburger Verhältnis zur Kirchenmusik, das in seiner Breite deutschlandweit einmalig ist, existiert hat."
Jetzt wird mit einem Jubiläumskonzert gefeiert. Am 6. September gibt es ein großes Jubiläumskonzert mit dem Hamburger Bachchor St. Petri und vielen Erinnerungen an die vergangenen Jahrzehnte. Los geht’s wie immer - seit 75 Jahren - um viertel nach fünf. Gratis.