Grenzenlose Musikbegegnung: Das Detect Classic Festival beginnt
Bis Sonntag bringt das Detect Classic Festival hochkarätige klassische Musik in modern alternativer Atmosphäre auf die Bühne - und kreiert damit im Schloss Bröllin ein spannendes Festivalkonzept.
Beim Wort "Festival" kann man die unterschiedlichsten Bilder im Kopf haben: Die gigantischen Bühnen beim Hurricane in Scheeßel, die Kirchen und Scheunen des SHMF, die liebevolle Vielgestaltigkeit der Fusion. Dass ein Festivalort Aspekte von all diesen zusammenbringt ist selten. Am Freitag begann ein Festival in Vorpommern, das genau das möchte, das Detect Classic Festival auf Schlöss Bröllin, nicht weit von Neubrandenburg.
Ein Crossover-Festival der Jungen Norddeutschen Philharmonie
In der kleinen Feldsteinkapelle spielt eine Cellistin Suiten von Bach. Unter einer Kuppel aus buntem Licht in Baumkronen lassen luftige Beats die Blätter zittern. In der ehemaligen Scheune des Gutshofes spielt ein Sinfonieorchester, die Menschen liegen auf Decken und lauschen, der Boden ist staubig. Warum sind die Orte, an denen wir unsere Musik aufführen, und die, an denen wir feiern, so unterschiedlich? Das haben sich vor einigen Jahren schon Musikerinnen und Musiker der Jungen Norddeutschen Philharmonie gefragt. Paulina Kiss spielte damals Bratsche im Orchester und hat sich schon immer über das strikte "Entweder-Oder" in der Musiklandschaft gewundert: "Als junge Musiker*innen haben wir damals gemerkt, dass es eine gewisse Diskrepanz gibt zwischen der Musik, die wir spielen, die wir im Konzert aufführen und der Musik, die wir sonst hören, für die wir uns interessieren."
Frank Dupree: Vom Schlagzeug zum Klavier zum Detect
Das Detect Classic Festival will dabei mehr als große Sinfonik mit elektronischer Tanzmusik paaren. Es küsst eine Lust wach, die im klassischen Konzertbetrieb über die Jahre etwas unter die Räder gekommen ist: die Lust am Entlegenen, Abwegigen, die Freude am Experiment. Da legen DJs auf wie Jascha Hagen, der seine Sets aus vielen Schichten von Schall, präparierten Instrumenten, Alltagsgeräuschen komponiert. Da trifft der Barocklautenist David Bergmüller den Elektroproduzenten Janus Rasmussen von den Färöer Inseln, eine Suite für leise Beats und Laute. Da bringt die "Junge Norddeutsche Philharmonie" Musik des Ukrainers Nikolai Kapustin auf die Scheunenbühne. Dem ist es zeitlebens gelungen, dem sowjetischen "Jazzverbot" mit einer ganz eigentümlich swingenden "Klassik" zu entkommen.
Solist dabei: der Pianist Frank Dupree. "Er hat damals auf dem Schlagzeug angefangen und kam dann erst zum Klavier", sagt Paulina Kiss, Leiterin des Detect Ensembles. "Das ist schon mal ein untypischer Werdegang. Außerdem ist er immer auf der Suche nach Musik, die ihm selbst Freude macht. So kam er dann als klassischer Musiker auf den Jazz oder zurück zum Jazz."
Mit viel Liebe und Fantasie: Die Location macht's!
"Headliner" des Detect Classic Festivals ist aber sein Ort selbst, das sogenannte "Schloss" Bröllin - ein weitläufiges Gut mit Wäldchen, Teich und Obstgärten, mit Ecken und Verstecken und einem schier unendlichen Blick in den Sonnenaufgang. Diverse Kunstkollektive gestalten die Spielorte zu verwunschenen Fantasiespielplätzen. Musikortarchitektur, wie man sie vom Fusion Festival und den unüberschaubar vielen kleinen Kunstinitiativen im Land kennt. Musik hören, tanzen und feiern lässt sich dabei neu erleben. "Ich glaube, diese persönliche Note, dieses Nahbare, dass es von Menschen gemacht wird, die am Ende selbst gern Zeit auf dem Festival verbringen möchten - das macht diese Orte so besonders", sagt Kiss und ergänzt: "Sobald man das Gelände betritt, merkt man, dass hier ein anderer Umgang miteinander herrscht. Das Gelände oder dieses Ganze, wie alles hier gestaltet ist, lädt dazu ein, offener miteinander zu sein. Alles suggeriert, dass man miteinander sprechen kann."
Drei Tage feiern für Kammermusik-Fans ebenso wie für Elektrotänzer
Und so kann es gelingen, dass Brüche und Gegensätze wertvoll werden. Das Freunde der Kammermusik Minimal Techno für sich entdecken, oder zumindest ein interessantes Gespräch mit passionierten Elektrotänzern führen.