Ein Mann mit Schutzkleidung steht auf einem Turm aus Steinquadern und bearbeitet einen davon. © Tourismus Agentur Lübecker Bucht Foto: Jo Kley
Ein Mann mit Schutzkleidung steht auf einem Turm aus Steinquadern und bearbeitet einen davon. © Tourismus Agentur Lübecker Bucht Foto: Jo Kley
Ein Mann mit Schutzkleidung steht auf einem Turm aus Steinquadern und bearbeitet einen davon. © Tourismus Agentur Lübecker Bucht Foto: Jo Kley
AUDIO: Kunst aus tonnenschweren Findlingen: Die Skulpturen-Triennale (4 Min)

Kunst aus Findlingen: Skulpturen-Triennale in Schleswig-Holstein

Stand: 11.07.2024 17:13 Uhr

Alle drei Jahre erschaffen Bildhauerinnen und Bildhauer von internationalem Rang bei der Skulpturen-Triennale in Neustadt in Holstein vor den Augen der Besucherinnen und Besucher Kunst-Unikate. Die behauenen Findlinge bleiben nach dem Treffen in der Stadt.

von Frank Hajasch

Die Skulpturen-Triennale in Neustadt in Holstein dauert zwei Wochen. Jörg Steinert ist die ganze Zeit dabei. Gerade bearbeitet er einen rundlichen Steinkolloss mit einer Flex. Gut drei Tonnen wiegt der rot-schwarze Granit. Sein Alter: 300 Millionen Jahre. Es schmerzt fast bei jedem Schnitt, den Jörg Steinerts Flex dem Stein zufügt. "Wir haben hier die Findlinge aus verschiedenen Regionen Skandinaviens. Das ist hier ist ein schwedischer Granit. Der hat eine schöne Textur und wird dann poliert. Der kriegt also noch Farbe."

Fertiges Kunst-Unikat in zwei Wochen

Der Findling mit der Größe eines SMART-City-Flitzers zeigt Wunden - wenn man die vielen geradlinigen Einschnitte denn so bezeichnen möchte. Man ahnt schon die Figur, die sich da herausschält. "Formatieren" nennt der Stein-Bildhauer aus der Nähe Berlins seine Vorarbeit.

Ein Mann mit Schutzkleidung bearbeitet einen großen Stein. © Triennale_ Quelle Balticum Verlag Foto: Triennale_ Quelle Balticum Verlag
Die Künstlerinnen und Künstler geben alles bei der Triennale, schließlich können die Kunstwerke 5.000 Jahre halten, sagt Veranstalter Jo Kley.

"Wenn ich möchte, dass eine Form rauskommt, bleibt mir nichts anderes übrig, als an einer anderen Stelle etwas wegzunehmen. Das ist das Prinzip der Bildhauerei", erzählt Steinert. Es soll ein Kopf entstehen, verrät er. Den will er polieren, so weit er kommt. "Zwei Wochen sind nicht viel Zeit. Eigentlich ist das eine Arbeit für ein Vierteljahr", sagt er. Er werde sich beeilen, aber er werde auch Abstriche machen müssen, erklärt er. "Eines ist klar: Der Stein will nicht bearbeitet werden. Der setzt einem sehr viel entgegen. Und ich muss mich durchsetzen. Aber dafür muss ich wissen, was ich machen will."

Däne Thomas Kadziola - bekannt für "Dänemarks Stonehenge"

Näher an der Wasserkante arbeitet Thomas Kadziola. Der Däne ist bekannt für seine zwölf Dodekaliten: riesige Steinskulpturen, bis zu 55 Tonnen schwer, die auf der Insel Lolland im Kreis stehen - als Dänemarks Stonehenge. Er war schon mal bei der Triennale und wusste, dass die Kommune Neustadt ihn hier unterstützt - auch wieder mit diesen Findlingen. Es sind immer Steine aus der Gegend, erzählt Kadziola. Er hat genau diesen gewählt und er arbeitet langsam - immer per Hand, sagt er. Aus diesem werde er ein Gesicht machen, oder eine Maske. Das wisse er noch nicht genau.

Ein Künstler arbeitet an einer Skulptur aus Stein, die wie ein Gesicht aussieht. © NDR Foto: Frank Hajasch
Echte Handarbeit: Der Däne Thomas Kadziola hat seinen "Man on the Moon" bei der vorherigen Skulpturen-Triennale geschaffen.

Beim vergangenen Mal hat er einen Mond gehauen, sagt der Bildhauer. Für ihn sei es immer gut, nur eine Seite zu machen. Sie hätten doch nur 14 Tage. Also setzt er den Handmeißel wieder an, schlägt Stück für Stück aus diesem grau-schwarzen Granit - der mit der Eiszeit von Skandinavien nach Ostholstein kam. "Ich meine, der kommt aus Schweden", sagt Kadziola, "vielleicht aus der Gegend um Vånga. Man weiß ja immer nicht, welchen Stein man bekommt. Es kann auch ein sehr alter Findling sein. Genau das ist doch das Aufregende." Normalerweise arbeitet er auch immer ohne Skizze, erklärt er. Insofern passe das hier ganz gut.

"Kommt möglichst ohne Konzept"

Auf dem Platz hier an der Hafenwestseite fährt Jo Kley mit einem Radlader vorbei. Der Organisator der Skulpturen-Triennale in Neustadt hat der Brasilianerin Marcia de Bernardo geholfen, ihren Stein zu drehen. Sie arbeite gern mit vegetabilen Formen, erzählt der Kieler Bildhauer. Ihre zapfenähnliche Skulptur haben sie auf die Seite legen müssen. "Wir setzen kein Thema; das Thema sind die Findlinge. Ich bitte meine Kollegen immer: 'Kommt möglichst ohne Konzept'", sagt er. Jeder hinterlasse seine beste Visitenkarte. Die Steine könnten schließlich auch in 5.000 Jahren noch stehen. "Die Künstler sind irgendwann weg. Aber die wollen natürlich auch, dass was richtig Gutes dabei rauskommt, das nachher auch aufgebaut wird", betont Kley.

Wer hier arbeitet, steigt nicht im Vier-Sterne-Hotel ab, sondern wohnt für zwei Wochen bei einer Familie in Neustadt - was sehr nett ist. Jo Kley erzählt noch vom ersten Tag: Da hätten an der Pier Findlinge en masse gelegen, Millionen Jahre alte Relikte aus dem Boden Ostholsteins. Er lacht.

Interessierte können beim Arbeiten zusehen

Ikram aus Marokko ist zum ersten Mal in Deutschland. "Für sie ist das ein großes Abenteuer, mit solchen Findlingen zu arbeiten; die ist total begeistert", erzählt Kley. "Man versucht immer auch, ein bisschen zu erklären, wie sich die Landschaft hier geformt hat."

Wer interessiert ist, kann den Bildhauerinnen und Bildhauern über die Schulter schauen und sich das Werden und Entstehen der Kunstwerke ansehen. Die Skulpturen-Triennale im Neustädter Hafen lädt alle Neugierigen ein zu einem Plausch mit den Künstlern und Künstlerinnen.

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Kunst aus Findlingen: Skulpturen-Triennale in Schleswig-Holstein

Alle drei Jahre treffen sich Bildhauerinnen und Bildhauer in Neustadt in Holstein. Wer mag, kann ihnen bei der Arbeit zusehen.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Freiluftatelier
Am Hafen
23730 Neustadt in Holstein
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 11.07.2024 | 08:10 Uhr

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Bildhauerei

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