"Heilige Geschäfte" in Lübecker Kirchen: Eine Bilanz
Noch bis Sonntag kann in vier Lübecker Kirchen geshoppt werden - bei der Kunstaktion "Heilige Geschäfte". Dahinter steckt der Berliner Aktionskünstlers Christian Jankowski. Astrid Wulf hat sich kurz vor Ende der Aktion umgehört, wie sie gelaufen ist.
Ein Elektronik-Geschäft, verpflanzt in eine Altstadtkirche: Schallplatten lehnen an mit sakralen Malereien verzierten Wänden, aus teuren Hi-Fi-Anlagen kommt Jazz. Zwischen den Sitzreihen werden Tablets und iPhones präsentiert - darüber laufen Videos auf großen Flatscreens.
"Gute Idee. Hier kann man verschiedene Musiktechnik kaufen, und das passt gut zu diesem Organ (der Orgel). Musik und Kirche sind nicht weit voneinander - deshalb finde ich das gut", sagt ein Besucher. Nicht alle teilen seine Meinung: "Für mich geht Handel, oder das, was hier ausgestellt wird, nicht mit Kirche zusammen. Das passt für mich nicht. Man tut so modern, man möchte schick sein und man möchte tolle technische Geräte zeigen. Wissen Sie - für tolle technische Geräte gehe ich in ein Fachgeschäft. Aber bestimmt nicht in die Jakobi-Kirche. Ich finde es etwas daneben."
Pastor Jedeck: Viele Gespräche mit Besuchern
Das Projekt polarisiert - das war Lutz Jedeck, dem Pastor der Jakobikirche, klar. "Auf jeden Fall habe ich noch nie so viele ernsthafte Gespräche mit Kirchenbesuchern geführt, wie in diesen Tagen. Es gibt Leute, die es ganz toll finden, gerade Jüngere."
Aber es gebe auch andere, die sagen: "Ich fühle mich gestört in meiner Ruhe", berichtet Jedeck. Für diejenigen sei Kirche der einzige Rückzugsort, wo es noch so etwas wie Heiligkeit und Ruhe gebe - müsse das jetzt durch moderne Medien gestört werden?
In drei anderen Lübecker Kirchen werden noch bis Sonntag Bio-Lebensmittel, Möbel und Mode verkauft. Die einzelnen "Heiligen Geschäfte" stehen für Grundbedürfnisse: Essen, wohnen, sich kleiden und Kommunikation.
Künstler Jankowski: Sorgen und Glücksmomente
Darf in Kirchen überhaupt gehandelt werden? Die Frage hat den Konzeptkünstler Christian Jankowski gereizt. Dazu drängt sich das biblische Bild auf, wo Jesus die Händler aus dem Tempel treibt.
"Wir hatten manchmal Sorgen, manchmal stand scheinbar alles auf der Kippe, und manchmal hatten wir absolute Glücksmomente, wo sich Leute nähergekommen sind, und sich auch Rollenverständnisse gewandelt haben. Dass zum Beispiel ein Mitarbeiter einer Textilfirma im Gottesdienst auftritt und dort einen Teil der Predigt hält und einen Teil der Andacht mitgestaltet- das hatte ich mir zu Anfang nicht träumen lassen - das hat stattgefunden."
Nähe von Kirche, Handel, Glaube und Kunst
Die Aktion will die Nähe von Kirche und Handel, von Glaube und Kunst in den vergangenen Jahrhunderten zeigen - und gleichzeitig einen Raum für Fragen rund um Werte im Hier und Jetzt schaffen. Glaube heute, Toleranz, Lebendigkeit, Konfliktfähigkeit.
Für Jakobi-Pastor Jedeck ist es etwas Besonderes, ein Teil davon zu sein. Shopping in der Kirche soll es aber hier künftig nicht mehr geben. "Das ist etwas, was hier mal in 14 Tagen als Vision dargestellt worden ist, aber natürlich überhaupt nichts mit der Realität zu tun hat."
Beeindruckt hat ihn aber, wie viele Menschen die Kirche als ihr Heiligtum ansehen - das, wo er als evangelisch-reformierter Pastor Heiligkeit eher im heiligen Geist und in allen Menschen sieht - nicht so sehr im Gebäude.
Finale mit Schauspieler Lars Eidinger
Morgen am Sonntag enden die "Heiligen Geschäfte" - mit dem Schauspieler Lars Eidinger. Eigentlich sollte er nur heute Abend auf der Abschlussparty als DJ auflegen - nun hat aber noch morgen früh einen Auftritt - beim letzten Gottesdienst der Wicherkirche. "Dann hat der Pastor gesagt: Ach, das wäre doch toll, wenn der mal den Bibeltext liest. Und dann habe ich Lars angeschrieben und Lars meinte: 'Klar, welchen denn. Den mit den Händlern?'", erzählt Jankowski lachend.