Bäume als Künstler: "Cutis Arborum" von Tina Schwichtenberg
In Kyoto, Berlin, Buenos Aires, Kiel und anderswo umwickelt Tina Schwichtenberg Baumstämme mit weißen Stoffen. Nach mehreren Jahren "erntet" sie dann Kunst. Die Ausstellung "Cutis Arborum" ist jetzt zu sehen in Kiel.
Es klingt ungewöhnlich, aber Künstlerin Tina Schwichtenberg lässt Bäume für sich malen. "Gemalt hat der Baum, nicht ich. Ich meine, besser kannst Du doch nicht malen", sagt die 80-Jährige. Sie umwickelt Baumstämme seit 1997 auf der ganzen Welt mit weißen Stoffbändern. Es sieht nach Verband aus oder nach Gipsbein. "Man denkt da gleich an pflegen, schützen, heilen, verbinden", so Schwichtenberg.
Junge Bäume sprengen Umwicklung
Es schadet den Bäumen auf jeden Fall nicht und irgendwann befreit die Künstlerin sie dann auch wieder von ihrer Umwicklung - oder wartet einfach ab. Einmal hat sie eine Reihe von jungen Ahornbäumen umwickelt - eine kleine Allee. "Die haben nach vier Jahren gesagt, es ist ihnen zu eng und sie haben die Umwicklung gesprengt", erklärt Schwichtenberg. "Das fand ich sehr interessant. Ich habe gar nicht Hand angelegt. Ich habe die Umwicklung wie eine Zwiebelschale vom Baum genommen und jetzt hier in die Galerie gehängt."
Als Dank für die Umwicklung haben die Bäume alle etwas auf die Leinentuchstreifen gemalt, die später zur Leinwand werden. "In der Stadt sind die Außenfärbungen sehr viel intensiver, sehr viel dunkler, sehr viel verschmutzter - in Anführungsstrichen", hat die Künstlerin beobachtet. "Auf dem Land gibt es auch natürlich Veränderungen in der Farbe, aber nicht so intensiv wie in der Stadt."
Komplizierte Verästelungen erinnern an verwitterte Holzdielen
Und es sieht toll aus. Man hätte es tatsächlich nicht besser malen können. Dunkle Strukturen, komplizierte Verästelungen - ein bisschen erinnert alles an alte verwitterte Holzdielen, an eigentümliche Fantasiestrukturen - wie vom Profi mit Kreide und Kohle gemalt. Vielleicht sei das irgendwann das Letzte, was von unseren Bäumen noch übrig bleibt. "So würde es aussehen, wenn wir unser Verhalten nicht ändern." Eine Botschaft, die immer mitschwingt, wenn Tina Schwichtenberg Bäume umwickelt.
Die Menschen scheinen von ihrer Kunst und dem, was sie vorhat, berührt zu sein. "Unglaublich", freut sich die Künstlerin, "wenn ich ihnen erkläre, was ich mache, dann ist es tatsächlich so, dass sie hinterher kommen und mir ausrangierte Betttücher oder Tischtücher bringen, damit ich weitermachen kann."
Bäume werden respektvoll in Ruhe gelassen
Alles bleibt auf eine geheimnisvolle Art und Weise unversehrt. Die Bäume werden, während sie die Leinenstoffbahnen verfärben und bemalen, von allen respektvoll in Ruhe gelassen. "Ich hab das in Berlin im Monbijoupark gemacht. Das hat vier Wochen gedauert, bis ich fertig war", sagt Schwichtenberg. Die ganze Zeit sei nichts passiert. "Es wurde nicht dran geschmiert, nicht dran gefummelt - nichts. Sie blieben vier Wochen so wie sie waren und dann konnte ich sie wieder abnehmen."
In Lissabon konnte Schwichtenberg einen ganzen Park mit ihrer Baumkunst retten. Bevor Motorsägen kreischten und Bulldozer anrückten, umwickelte sie die Stämme mit leuchtend weißen Leinen, erzählt sie. "Der Park ist nicht gefallen, also es ist nichts gebaut worden, sondern er ist geblieben und wir haben eine Baumstamm-Umwicklung gemacht, die bei den Leuten im Gedächtnis geblieben ist. Das hat mich gefreut."
Bäume als Künstler: "Cutis Arborum" von Tina Schwichtenberg
Die Künstlerin umwickelt Baumstämme mit weißen Stoffen. Nach mehreren Jahren "erntet" sie dann Kunst - jetzt zu sehen in Kiel.
- Datum:
- Ende:
- Ort:
-
Kulturpark Seekamp
Seekamper Weg 10
24159 Kiel
- Öffnungszeiten:
- sonntags 14.00 Uhr bis 17.00 Uhr