Streit um Osnabrücker Ausstellung: Nun kam's zum Austausch
Die Osnabrücker CDU hatte zum Boykott der Schau von Sophia Süßmilch aufgerufen. Nun schaute sich der Fraktionsvorsitzende Marius Keite sie erstmals an. Bei seiner Warnung bleibt er trotzdem.
CDU-Mann Marius Keite steht im Foyer der Kunsthalle zusammen mit Kuratorin Anna Holms und Museumsdirektorin Juliane Schickedanz. Die räumt direkt am Anfang mit dem nach ihrer Ansicht größten Missverständnis auf: Kannibalismus sei nicht Kern der Ausstellung. Stattdessen gehe es darum, wie Mütter sich um ihre Kinder sorgen.
"Der Kannibalismus ist ein Mittel, um diesen Gedanken quasi künstlerisch vorzutragen und auch nochmal künstlerisch vielleicht drastisch zu unterstreichen", erklärt Schickedanz. Da gehe es um die Frage, ob es vielleicht auch ein Akt der Fürsorge ist, wenn Mütter ihre Kinder essen, um sie vor der Welt zu bewahren.
In der entweihten Kirche ertönen "Kannibalistische Choräle"
Wie dieser Kannibalismus dargestellt wird, ist in der Ausstellung in einer entweihten Kirche zu sehen. In der Mitte hängt ein überlebensgroßes Modell eines nackten Meerschweinchens. Und ein Piano spielt wie von Geisterhand die eigens komponierten "Kannibalistischen Choräle".
Ganz schön explizit - und Kindern nicht zumutbar, findet der CDU-Politiker. Genau die könnten sich aber eingeladen fühlen vom Titel der Ausstellung: "Kinder, hört mal alle her!"
Keite sorgt sich um Kinder und Jugendliche, die ohne Begleitung die Ausstellung besuchen. Eine Sorge, die Juliane Schickedanz sofort zerstreuen kann: "Kinder und Jugendliche unter 16 Jahre ohne Begleitung ihrer Eltern dürfen in die Ausstellung nicht rein", erklärt sie dem Politiker.
Marius Keite bleibt bei seiner Warnung
Und auch Erwachsene würden nicht allein gelassen mit diesen Ausstellungsstücken, die manchen Betrachter überfordern könnten. Schon am Eingang und am Infocounter weisen Museumsmitarbeitende auf die expliziten Inhalte hin, verteilen Raumpläne mit ausführlichen Texten in einfacher Sprache. "Die erläutern: Was sehen Sie in der Ausstellung? Und dann gibt es natürlich immer noch eine Dialogbereitschaft und eine Einladung zu den Führungen, wenn man mehr erfahren möchte", erklärt Musuemsdirektorin Schickedanz.
CDU-Mann Keite schaut sich all das an, oft mit skeptischem Blick. Er schätzt den Austausch, sagt er - bleibt aber schlussendlich bei seiner Meinung und erneuert den Aufruf an die Osnabrücker, die Ausstellung nicht zu besuchen. "Das bleibt aufrecht", sagt er entschieden und betont zugleich, dass er nie zu einem Verbot aufgerufen habe. "Aber ich kann jede Familie verstehen, die sagt: Sie geht nicht in die Ausstellung."
Marius Keite ist Fraktionsvorsitzender der CDU im Osnabrücker Stadtrat. Er hatte eine Pressemitteilung herausgegeben mit Kritik in markigen Worten. Angesehen hat er sich die Ausstellung erst jetzt - eineinhalb Wochen später. Zu spät, das warf ihm die Künstlerin Sophia Süßmilch vor.
Noch einen Vorwurf hatte die Künstlerin im Interview mit NDR Kultur erhoben: Marius Keite gehe es gar nicht um die Ausstellung. Vielmehr wolle er die Kunsthalle abschaffen.
"Ich weiß nicht, wo Frau Süßmilch das an der Stelle hergenommen hat. Wir haben durchaus gesagt, dass wir das Konzept weiterentwickeln möchten, aber wir haben keinesfalls irgendwo gesagt, dass wir die Kunsthalle abschaffen wollen", erklärt Keite.
Eine alte Debatte. Die CDU in Osnabrück fordert schon seit längerem, die Kunsthalle für ein breiteres Publikum attraktiv zu machen. Nun ist die Debatte wieder entflammt. Der direkte Dialog darüber ist wichtig, darin waren sich beim Ortstermin alle einig.