NSDAP-Mitgliedschaft von Edith Russ belegt: Folgt die Umbenennung?
Ein wissenschaftliches Gutachten im Auftrag der Stadt Oldenburg belegt die NSDAP-Mitgliedschaft der bereits verstorbenen Namens- und Geldgeberin des Edith-Russ-Hauses für Medienkunst. Nun wird eine Umbenennung diskutiert.
106 veröffentlichte Artikel, darunter Filmbesprechungen und Theaterrezensionen: Das ist das Werk der Oldenburger Journalistin und Lehrerin Edith Maria Russ zwischen 1943 und 1945 als Leiterin des Feuilletons der "Oldenburgischen Staatszeitung". Die Mäzenin hatte nach ihrem Tod ein Vermögen von rund zwei Millionen DM an die Stadt Oldenburg vererbt, mit der Bedingung, ein Haus für die Kunst im Übergang ins neue Jahrtausend zu erschaffen, das ihren Namen trägt. So entstand im Jahr 2000 das Edith-Russ-Haus für Medienkunst.
Doch nun sorgt die Vergangenheit der Geld- und Namensgeberin für Ärger. Ein "TAZ"-Artikel von Februar erhebt schwere Vorwürfe gegen sie: Mitglied der NSDAP soll sie gewesen sein und eine "fanatische Nationalsozialistin". Die von der Stadt beauftragten Gutachter Mareike Witkowski und Joachim Tautz haben Archivmaterial gesichtet: "Was wir zu Edith Russ finden konnten, war natürlich - was ja auch schon den Anstoß für die Debatte gegeben hatte - die NSDAP-Parteikarte. Außerdem haben wir geguckt, was ist in ihrem Nachlass im Edith-Russ-Haus und wir haben zudem intensiv geguckt, was sie in der Zeit geschrieben hat", berichtet Mareike Witkowski.
Edith Russ hat mit Beiträgen NS-Regime stabilisiert
Edith Russ war seit 1941 also tatsächlich Mitglied der NSDAP - dies hatte sie immer verneint. Anhand der Untersuchungen ihrer Artikel würden die beiden Forscher sie aber weder als "fanatische Nationalsozialistin" - wie die "TAZ" berichtete - noch als unabhängig vom damaligen Regime bezeichnen. "Sie hat mit Sicherheit mit ihren Beiträgen übers Kino, über Filme und Musik und auch mit anderen Beiträgen das System stabilisiert. Sie hat dazu beigetragen, dass es so normalisiert wirkte beziehungsweise einen normalen Anstrich hatte. Sie hat sich angepasst an die NS-Propaganda. In dem Sinne war sie eine, die das System stabilisiert hatte, aber - das muss man auch deutlich sagen - auf einer untergeordneten Ebene", so Witkowski.
Bürgermeister Krogmann für Namensänderung
Diese Erkenntnisse sind jedoch aus Sicht von Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) Anlass genug zu handeln: "Ich plädiere dafür, dass wir die Ergebnisse des Gutachtens als Grundlage für eine Namensänderung nehmen: Erstens, weil sich gezeigt hat, dass die jahrzehntelangen Behauptungen von Edith Russ, nicht Mitglied der Partei gewesen zu sein, nicht stimmen. Zweitens, weil die Debatte darüber die Arbeit des Hauses inzwischen derart belastet, dass ich das den Mitarbeitern des Hauses - den Kolleginnen und Kollegen - und der Kunstöffentlichkeit nicht weiter zumuten möchte."
Schwierin: Künstler und Sponsoren gehen auf Distanz
Auch der stellvertretende Leiter des Edith-Russ-Hauses für Medienkunst, Marcel Schwierin, plädiert für eine Umbenennung. Mittlerweile gehen sowohl ausstellende Künstler wie auch Sponsoren und Kooperationspartner spürbar auf Distanz, berichtet er. "Man weiß nicht genau, was ihre Motivation war. War es Opportunismus, damit sie Karriere bei der Zeitung machen konnte oder war das auch eine Form von Überzeugung? Das geben die Quellen leider nicht her. Fakt ist, dass sie Nationalsozialistin war als Mitglied der NSDAP, und, dass sie nationalsozialistische Propagandistin war. Sie hat auch völkische Artikel geschrieben. Deshalb ist es für mich nicht tragbar, den Namen weiter zu propagieren", erklärt Marcel Schwierin.
Rechtliche Grundlage für Umbenennung gegeben?
Doch ist eine Umbenennung rechtlich überhaupt möglich? Das Erbe von Edith Russ sah vor, das Ausstellungshaus nach ihr zu benennen - nur unter dieser Bedingung sollte Geld fließen. "Das kann man nur ändern, wenn sich wirklich etwas Schwerwiegendes im Stiftungskontext geändert hat. Das ist tatsächlich durch ihre Parteimitgliedschaft und dadurch, dass sie für den Nationalsozialismus Propaganda betrieben hat, gegeben. Das sind schwerwiegende Gründe", so Schwierin. Die mussten erst einmal durch ein wissenschaftliches Gutachten belegt werden.
Vorwürfe, dass auch das vererbte Geld mit der NS-Zeit zu tun habe, konnte das Gutachten nicht bestätigen. Nach jetzigem Stand könnte die Einrichtung künftig nur noch "Haus für Medienkunst" heißen. Zunächst wird darüber aber im Kulturausschuss beraten. Frühestens Ende November könnte dann der Stadtrat Oldenburgs darüber entscheiden, ob der Name des Ausstellungshauses tatsächlich geändert werden wird.