Frauenporträts: Streetart in Göttingen nach Madrider Vorbild
Frida Kahlo, Nina Simone, Astrid Lindgren: Zehn Frauen blicken von einem Wandbild an der Fassade der ehemaligen Justizvollzugsanstalt in Göttingen. Das Vorbild - ein Wandbild in Madrid.
Lila, rosa, orange und auffallend groß sind ihre Gesichter - auf der Außenmauer der ehemaligen JVA am Göttinger Waageplatz. Die Künstlerin Patricia Saavedra hatte die Idee, dieses Bild in Göttingen an die Wand zu bringen. Die Künstlerin kommt aus Madrid, wie auch das Original und Vorbild: ein Wandgemälde mit Frauen, die etwas bewegen, die Grenzen überwinden. Doch das gefiel nicht allen in der spanischen Hauptstadt. Deshalb zerstörten es Gegner immer wieder.
Repliken in Cordoba, Valencia und Göttingen
Patricia Saavedra fragte sich, warum Menschen so wütend waren, warum sie die Frauen "wegstreichen" wollten. "Als ich gehört habe, es gibt Repliken und es wurden ständig mehr Repliken, da dachte ich, es muss nach Göttingen kommen." Für die Künstlerin eine Art zu einem Kampf dazuzugehören. "Kampf mit Kunst finde ich fantastisch. Ich finde es grandios. Sie wollen uns wegmachen - und dann kommen zehn neue." Deshalb gibt es die Porträts jetzt auch in Cordoba, Valencia oder eben Göttingen. Stil und Farbe erinnern an das Original, vor allem die violetten Töne.
Richterin Ruth Bader Ginsburg beeindruckt
Das Göttinger Wandbild haben 17 Schülerinnen und Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums gemalt. Es sind neue Frauen dazugekommen, wie die Mathematikerin Emmy Noether, die Aktivistin Malala Yousafzei oder die Richterin Ruth Bader Ginsburg. Die Schülerin Amy Pullmann zeigt auf die Richterin, die durch eine große Brille mit strengem Blick die Passanten mustert. "Die habe ich mit einer Freundin zusammen gemalt, und sie liegt mir besonders am Herzen, weil wir natürlich auch über ihre Geschichte recherchiert haben. Das hat mich wirklich berührt."
Beim Malen die Zeit vergessen
Die US-amerikanische Richterin hat sich gegen Widerstände durchgesetzt und es bis zum Supreme Court geschafft. Deshalb haben Amy und ihre Mitschüler sie ausgewählt. Ihre Kunstlehrerin Inga Ritter und die beiden Künstlerinnen Patricia Saavedra und Agatha Czarny haben sie dabei unterstützt, vor allem natürlich beim Malen, erzählt die Schülerin. "Ich habe eigentlich nie wirklich an eine Pause gedacht. Ich habe total vergessen, etwas zu essen, was zu trinken. Wir haben gemalt, uns unterhalten und sind auch mit vielen Passanten ins Gespräch gekommen, die interessiert waren. Mich hat es auch sehr überrascht, dass sehr viele so positiv waren und dass viele auch so offen waren.
Auch Helga aus dem Viertel auf dem Bild
Einige haben Amy und die anderen sogar mit Essen und Getränken versorgt. Denn auch die Nachbarn vom Waageplatz freuen sich über das Gemälde: auch deshalb, weil Helga hier zu sehen ist, betont der Nachbar Helmut Schönewolf. "Für uns ist Helga so was wie die Oma des Viertels, weil sie 89 ist. Sie ist sehr aktiv, und wenn wir zusammensitzen, mittwochs beim Kochen oder freitags beim Kaffee, sieht man immer wieder junge Leute, die mit Helga sitzen und mit Helga reden, weil Helga immer einen Rat hat. Und deswegen sind wir ganz froh, dass wir Helga an der Wand haben. Jetzt geht sie uns nicht verloren."
"Ich dachte, sie flachsen rum"
Immerhin wohnt Helga Schmidt seit 70 Jahren im Kiez, war Gewerkschafterin und ehrenamtliche Richterin. Aber dass sie diesen Ehrenplatz bekommt, hat sie dann doch überrascht, sagt sie. "Da habe ich gedacht, die machen Spaß mit mir. Sie flachsen rum und machen Spaß." Sie lacht beim Sprechen und das ist jetzt auch auf der Wand verewigt: ein Lachen, das Mut macht.