"Frauendenkmäler sind sehr versteckt": Frauke Beeck im Gespräch
In Deutschland gibt es nach Schätzungen von Frauke Beeck nur etwa 200 Denkmäler von Frauen. Allein Otto von Bismarck wurde dagegen rund 700 Mal ein Denkmal gesetzt. Die Künstlerin Frauke Beeck sucht, zeichnet und katalogisiert sie. Ein Gespräch.
Frauke Beeck reist selten ohne Skizzenbuch. Darin hält sie ihre Studien von Frauendenkmälern fest. Oft sind diese Statuen versteckt, dafür aber einladend und auf Augenhöhe. Ganz anders als bei Denkmälern von Männern, die hoch oben auf Sockeln und Rössern thronen. Mit den Skizzen geht die gebürtige Bremerin in ihr Atelier und entwirft Spraybilder der Frauen - in Pink, Neongelb und Giftgrün. Im Gespräch mit Andrea Schwyzer verrät Frauke Beeck, wie sie die Statuen, Tafeln und Büsten der wenigen Frauen findet, welche Geschichten sich hinter den Figuren verbergen und wer für sie die "It-Girls auf Sockel" sind. Einen Auszug des Gesprächs lesen Sie hier. Das vollständige 30-minütige Gespräch können Sie in der ARD Audiothek oder als Podcast hören.
Was findet sich in ihrem Skizzenbuch?
Frauke Beeck: Mein Skizzenbuch soll sich fühlen mit Frauendenkmälern. Ich bin zurzeit in Niedersachsen unterwegs, die letzten Frauen-Denkmäler zu zeichnen. Ich zeichne immer vor Ort, dafür bringe ich meine Stifte und mein Buch mit. Das bildet dann die Grundlage für meinen Spraybilder und für weitere Forschungen zum Thema.
Wenn sie so ein Frauen-Denkmal vor sich haben: Wie finden Sie heraus, wo das herkommt, wer das aufgestellt hat?
Beeck: Bei vielen steht es dran. Die Bildhauerin oder der Bildhauer, wann es aufgestellt worden ist, manchmal auch von wem es gestiftet ist. Es gibt allerdings auch Fälle, die sehr abenteuerlich sind.
Zum Beispiel?
Beeck: In Niedersachsen haben wir die Fischfrauen. Wir haben die Torfrau, wir haben die Marktfrauen. Diese Fischfrauen sind oft gestalten, die allen lieb geworden sind. Das ist dann "Tant Dientje", "Mudder Cordes" oder unsere Marktfrau. Das ist einem häufig gar nicht so bewusst, dass das tatsächliche Personen sind. Tant Dientje - das ist eine Fischfrau in Ditzum, von der ich ein tatsächliches Foto hatte. Dann stehe ich davor - und sie ist einfach nur als Personen für die Fischerin im Dollart genannt. Ich weiß aber, dass sie existiert hat, weil ich dieses Privatfoto von ihr in der Hand habe. Dann frage ich nach, ist das nun ein Fake-Foto? Oder ist da einfach der Name nicht genannt? Dann gehe ich zum Touristen-Office, zu den Städte-Führerinnen, zu einer Kunsthistorikerin: Die sagten mir immer nur: "Das ist doch unsere Tant Dientje" - und waren damit zufrieden. In schwierigen Fällen gehe ich dann an den Heimatverein. Wenn ich Glück habe, haben die in ihren Annalen Unterlagen. Die haben das dann wirklich untersucht und dann bekam ich Kontakt zum Enkel und ein Foto vom Grabstein. Sie hat tatsächlich gelebt.
Gerade in Niedersachsen sind es oft Frauen, die einen Berufsstand repräsentieren: die Fischfrau, die Marktfrau und so weiter. Was sagt uns das über unser Bild von Frauen aus, die man auf einen Sockel hebt?
Beeck: Naja. Der Sockel ist ja sehr niedrig bei den Frauen, bei den Männern in der Regel nicht. Wir kennen den Reiter hoch zu Ross oder König Karl - die haben schon einen sehr hohen Sockel. Das ist bei den Frauen in der Regel ganz anders. In Niedersachsen haben wir die Maria von Jever auf einem hohen Sockel. Ansonsten stehen die Frauen - gerade diese Frauen mit den niederen Berufsständen: die Fegerin, die Fischfrau, die Torfrau - auf sehr niedrigen oder gar keinen Sockeln.
Im öffentlichen Raum ist es so, dass nur wenig Frauen auf Denkmälern sichtbar sind. In den meisten Städten sind es weit unter zehn Prozent.
Und oft auch sehr versteckt. Die stehen nicht in der Stadtmitte, sondern man muss schon ein bisschen nach auswärts gehen. Also Martin Luther steht in der Mitte von Wittenberg hoch auf dem Sockel. Während Katharina von Bora sehr weit, außerhalb und unnatürlich auf dem Boden steht. Man fragt sich immer: Was ist damit gemeint? Ein Denkmal bedeutet auch immer eine gewisse Wertung. Ein Ansehen, das der Öffentlichkeit vermittelt wird. Wenn ich diese vielen Frauen hier in Niedersachsen auf der Erde sehe, dann ist das natürlich nicht dieses hochherrschaftliche Ansehen. Das Vorbild, das man sich als Jugendliche oder überhaupt wünscht.
In meiner Tätigkeit zu dem Thema, es sind jetzt zweieinhalb bis drei Jahre, sind mir aber gerade diese bodenständigen Frauen in ihrer sehr individuellen, einfachen Art sehr lieb geworden. Die werden nicht Kraft ihrer Geburt irgendwo hochgehoben, sondern haben Besonderes geleistet. Neske David zum Beispiel: Die hat ihr Leben lang Torf auf die Schiffe in Weene (Ostfriesland) verladen. Bis in das hohe Alter von 96 Jahren ist sie gereist und hat Vorträge gehalten über ihre Arbeit. Das sind immer so Kleinigkeiten. Oder die Marktfrau Karoline Duhnsen, die vor der Markthalle in Hannover steht. Weil sie so eine besondere und liebenswerte Frau gewesen ist, ist ihr das Denkmal gestiftet und ihr zu Ehren gebaut worden. Viele dieser einfachen Frauen haben das Denkmal auch ihrer Familie zu verdanken - die dann ihrer Oma, Ur-Oma ein Denkmal gesetzt haben.
Das Interview führte Andrea Schwyzer. Das vollständige 30-minütige Gespräch können Sie in der ARD Audiothek oder als Podcast hören.