Ausstellung in Wolfsburg: Künstler verarbeitet Kriegserlebnisse
Fabian Knecht war mehrmals als freiwilliger Helfer in der Ukraine. Seine Kriegserfahrungen hat er in Kunstwerken verarbeitet. Die Ausstellung "Der Weg des größten Widerstandes" in Wolfsburg zeigt seine Werke.
Fabian Knecht buddelt Erde zur Seite. "Das sind die Spuren vom Bagger", sagt er, "die müssen wir beseitigen." Ein Krater mitten im Schlosspark - ein Nichts, eine Störung. Es ist die Rekonstruktion einer der vielen Kriegswunden der Ukraine. "Der Krater ist auf einem Hügel bei Isjum," erklärt der Künstler. "Auf diesem Hügel stehen weltbekannte Skulpturen, das sind Steinskulpturen aus der vorslawischen Zeit." Während der russischen Besatzung sei der Hügel der einzige Ort gewesen, wo die Menschen in Isjum raustelefonieren konnten und das Mobilfunknetz funktionierte, so Knecht. "Deswegen haben die Russen genau dahin geschossen. Fünf Menschen sind gestorben und die Skulpturen sind beschädigt worden. Das ist ein Zeugnis davon, dass es gegen die Geschichte geht, gegen die Kultur und gegen das menschliche Leben an sich."
Dauerregen hat der Nachbildung zugesetzt, knietief steht im Krater das Wasser. Aber Fabian Knecht will den rauen Urzustand erlebbar machen. "Da ist Entengrütze drin," sagt er und fischt diese mit einem Eimer heraus. "Zur Eröffnung nehmen wir das raus, und danach überlassen wir den Krater der Natur. Dann kann sich hier so ein kleines Biotop entwickeln."
Alte Kriegsutensilien werden zu Kunst
"Der Weg des größten Widerstandes" heißt seine Ausstellung in Wolfsburg. 13 Mal reiste er in die Ukraine. Er sah Zerstörung, auch Hoffnung und Lebenskraft. Er hat dort Freunde, bringt immer wieder Hilfsmittel, etwa neue, begehrte Tarnnetze - alte, handgeknüpfte aus der Ukraine, stellt er aus. "Die ganze Ukraine ist damit geschmückt. Man sieht es kaum auf Nachrichtenbildern oder Fotografien, weil es natürlich sehr oft kritische Infrastruktur abdeckt," erklärt Fabian Knecht. Auf der Reise durch die Ukraine habe er die Schönheit dieser Stoffe für sich entdeckt. "Hier gab es gar kein Netz, auf die die Stoffe geknüpft werden konnten. Also hat man mit den Stoffresten erst mal ein Netz geknüpft. Man riecht wirklich noch die Natur da drinnen, und auch - ich würde fast sagen, Schimmel. Die lagen halt anderthalb Jahre draußen in die Natur."
Das Museum in die Natur gebracht
Auf dem Boden liegen Metallschindeln. Eine Rakete zerstörte dieses Dach über dem Kopf. Knecht holt die Wirklichkeit ins Museum, Schrapnelllöcher im Dach inklusive. Bekannt wurde er mit seinem Projekt "Isolation". Bizarre Räume - mitten in der Natur baute er Wände - das Museum formte er um die Natur herum. Er ist ein Raumpräger.
Fabian Knecht spricht über die Idee des Projekts: "Diese tausend Teilchen, die Insekten, alles, was sozusagen in der Natur ist, war mir unmöglich in den Ausstellungsraum zu bringen. Dadurch, dass ich die Museumsräume aber in die Natur setze, ist alles da, und dadurch entsteht eine Komplexität und gleichzeitig ein künstliches Bild. Diese Welten prallen aufeinander und es ist gleichzeitig ein sehr spannender Effekt."
Kriegsbilder verarbeiten und erlebbar machen
Fabian Knecht, das ist Performance, wie auf der Nationalgalerie in Berlin. In der Ukraine saugt er mit seiner Kunst den Raum auf. Es entstehen Leinwände, in der Asche aus Panzerwracks gebatikt. Frappierend. "Es sind Abdrücke aus dem Krieg," so Knecht über sein Kunstwerk. "Das hat jetzt keine schönen Formen, sondern das sind eigentlich Einschnitte in diese Leinwand, ganz scharf und stechend. Es sieht eigentlich aus, wie ein ganz böses Gewitter. Letztendlich hat der Krieg nichts Figürliches, sondern es ist eine pure Zerstörung, das pure Chaos."
Ein Ausmaß der Zerstörung, das man sich nicht vorstellen kann
Die pure Zerstörung - Knecht erforscht sie Es verändert ihn und damit: seine Kunst. Alle Einnahmen aus diesen "humanitären Plastiken", wie er seine Werke nennt, kommen der Ukraine zugute. Die Zerstörungen, die er sah und sieht, sind ohne jedes Maß.
Fabian Knecht: "So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen. Es hat auch alles meine Vorstellungskraft zerbrochen oder komplett neu in Frage gestellt." Fabian Knecht und seine Ausstellung aus dem Herzen der Finsternis. Die offenen Wunden von Putins Angriffskrieg. Zu sehen ist seine Ausstellung bis zum 14. Januar 2024 in der Städtischen Galerie Wolfsburg.